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Barockes Gesamtkunstwerk ohne Bezug zum Heute

REST DER WELT / WIEN / ARIODANTE

26/02/18 Die Philharmoniker sind auf Reisen in Nord- und Südamerika und stehen folglich in ihrer Funktion als Staatsopernorchester nur in reduzierter Besetzung zur Verfügung. Es ist also der ideale Zeitpunkt, um sich mal wieder einem Repertoire zuzuwenden, das an der Staatsoper nur ein Nischendasein fristet.

Von Oliver Schneider

Händels „Ariodante“ ist gerade jetzt reizvoll, weil man zeitgleich an der Wienzeile Händels Oratorium „Saul“ in einer durchdachten, psychologisch fokussierten Inszenierung sehen kann. Dort hat man das Freiburger Barockorchester engagiert, das unter Laurence Cummings Leitung blasser als gewohnt klingt. Ganz anders ist es in der Staatsoper, wo William Christie und Les Arts Florissants am Samstagabend ihr umjubeltes Debüt gegeben haben. Christie hat die Besetzung den Dimensionen des Hauses angepasst, so dass man den Eindruck hat, dass Ensemble sei seit Jahren bestens vertraut mit dem Haus und seinen akustischen Herausforderungen.

Mit Liebe und von der Beschäftigung mit französischer Barockmusik geprägtem, weichem Klang haben Christie sowie seine Musikerinnen und Musiker die Feinheiten der Melodik und der Instrumentierung herausgearbeitet, so dass man bei machen Arien gar nicht mehr von orchestraler Begleitung sprechen möchte, zum Beispiel bei Ariodantes „Scherza infida in grembo al drudo“ oder Ginevras „Il mio crudel martoro“.

Graham Vicks Inszenierung kann da nicht mithalten. Er erzählt die Liebe zwischen Ariodante und der schottischen Königstochter Ginevra, die durch die Intrige des diese ebenfalls liebenden Polinesso, des Herzogs von Albany, zunächst durchkreuzt wird, in auf die Entstehungszeit Bezug nehmenden Kostümen und Versatzstücken. Für die Bühne müssen verschiebbare Ziegelsteinwände ausreichen (Ausstattung: Vicki Mortimer). Die – zugegeben – farbenprächtigen Kostüme erinnern an irgendwelche Fantasy-Filme oder Musicalproduktionen und haben wenig tiefere Bedeutung für die konkrete Interpretation. Vick bringt ein barockes, bebilderndes Gesamtkunstwerk, ohne nach Querverbindungen zum Heute zu suchen. Auch die Idee, die Szenen mit dem König von Schottland in einer Bibliothek spielen zu lassen und Polinesso nach Ariodantes scheinbarem Selbstmord und Ginevras Verstoßung als Diktator und Bücherverbrenner zu zeigen, erscheint zusammenhanglos im Gesamtkontext.

Polinesso ist der einzige wirkliche Charakter an diesem Abend, in seiner Boshaftigkeit und Verschlagenheit, vor dem der alte König ängstlich in der Ecke kauert. Ansonsten fehlt den Protagonisten mehrheitlich die führende Hand, so dass sie viele Arien schlicht an der Rampe vortragen.

Christophe Dumaux war schon in Salzburg der Bösewicht Polinesso. Ohne Skrupel verfolgt er seinen Plan, Ariodante bezüglich der Liebe seiner Ginevra zu täuschen, und an die Macht zu gelangen. Er brilliert in allen Registern und mit eleganten virtuosen Koloraturen, während die Dimensionen des Hauses am Ring für ihn jedoch eine Herausforderung darstellen. Chen Reiss als Ginevra spielt und singt sich ab dem zweiten Akt so richtig frei, überzeugt im schon erwähnten „Il mio crudel martoro“ und im dritten Akt mit instrumental geführtem Sopran und vor allem ihrem heroinenhaften Erwarten des Todes. Choreographisch gelungen ist auch die Interpretation von Ginevras Albtraum am Ende des zweiten Akts (Choreographie: Colm Seery).

Hila Fahima ist eine feine, in ihrer blinden Liebe zu Polinesso die Intrige unwillentlich Befördernden Vertrauten Dalinda, die zum Schluss dem sie ehrlich liebenden Lucranio, Ariodantes Bruder, ihr Ja-Wort gibt. Rainer Trost besitzt immer noch die Beweglichkeit, um auch in diesem Repertoire zu reüssieren. Wilhelm Schwinghammer ist ein solider König von Schottland, dessen Bass erstaunlicherweise im tiefen Register wenig trägt, Benedikt Kobel ein guter Stichwortgeber als Odoardo. Es bleibt Sarah Connollys Ariodante. Connolly singt ihn tadellos phrasierend, mit schlanker Stimmführung, sicheren Koloraturen, leider zu wenig Kraft in der Tiefe. Aber wirklich berühren wollen ihr Leid, ihre Entschlossenheit, für Ginevra im dritten Akt gegen den eigenen Bruder zu kämpfen und ihre Liebe nicht. Was in Erinnerung bleibt, ist ihr schöner Gesang, nicht mehr.

Weitere Vorstellungen am 26. Februar, 1., 4.., 6. und 8. März.  Livestream am 4. Märzwww.wiener-staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

 

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