Besuch bei den Royals

WIEN / THEATER AN DER WIEN / TESEO

20/11/18 Mit Händels dritter, für London geschriebener Oper „Teseo“ setzt das Theater an der Wien seinen mythologischen Schwerpunkt fort. Die Schwächen des Werks können allerdings auch die von René Jacobs eigens erstellte Fassung und das Regieduo Leiser & Caurier nicht überdecken.

Von Oliver Schneider

Der athenische König Egeus lässt sich im Kampf gegen seinen Bruder von der Zauberin Medea unterstützen. Quasi als Tauschgeschäft verspricht er ihr, sie zu heiraten. Bis er sich in die an seinem Hof lebende Agilea verliebt, die aber heimlich Teseo – Theseus – liebt, seinen Sohn. Den hat er als Säugling ausgesetzt. Teseo wird nun aber zurück erwartet und Egeo verspricht ihn Medea als „Ersatz“-Ehemann. Sie ist aber heimlich ohnehinh in Teseo verliebt, der den unwissenden Egeo bereits im Kampf unterstützt hat. Doch dieser wiederum liebt Agile und wird von dieser wieder geliebt. Bis sie einander aber kriegen, vergehen im Theater an der Wien dreieinhalb Stunden.

Die Uraufführung von Händels dritter Londoner Oper war zwar „damals“ nach schwachem Kartenverkauf ein großer Erfolg, was aber nicht zuletzt auf reduzierte Kartenpreise und unter anderem eine radikale Kürzung der Rezitative zurückzuführen war. Zum Glück, war es damals hell im Zuschauerraum und man konnte das Libretto mitlesen. Das muss man in Wien nicht, denn das belgische Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier bleibt seinem Grundsatz treu, eine Geschichte zu erzählen:

Zwei Frauen ringen um Teseos Liebe: Medea will nach allem, was ihr im Leben widerfahren ist, nun die Liebe erzwingen, während Agilea offen und ehrlich um Teseo kämpft. Mythologische Kenntnisse sind nicht vonnöten. Das Liebes- und Eifersuchtsdrama spielt in England in den vierziger und fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Im ersten Akt dient das barocke Schloss noch als Lazarett, während der Hof ab dem zweiten Akt wieder repräsentieren darf (Bühne: Christian Fenouillat). Frisuren und vor allem die prächtigen langen Kleider der Damen erinnern an die fünfziger Jahre, die Jahre des Aufbaus (Kostüme: Agostino Cavalca).

Das ist alles sehr hübsch anzusehen, verhindert aber trotzdem nicht eine gewisse Ermüdung bis zur Pause. Denn außer dass in den ersten drei Akten die Personen mit ihren Sympathien und Antipathien füreinander in Arien und wenigen Duetten eingeführt werden, passiert sehr wenig. Leiser & Caurier holen immerhin das Maximum aus den Figuren heraus, zeigen Medea als frustrierte Frau, die sich nur mit Drogen und Alkohol halten kann – ihre Vertraute Fedra muss sie spritzen. Nachdem sie Agilea als ihre Rivalin entlarvt hat, lässt sie immerhin mal ihre Zauberkräfte spielen, sodass die Möbel von Geisterhand durch den Raum zirkulieren:

Wirklich Spannung kommt nach der Pause auf. Riesenhände werden aus den Nebenräumen hereingefahren und bedrohen Medeas Rivalin, und Werwölfe – die verwandelten Diener – lecken den schlafenden Teseo. Jetzt ist auch die tadellos intonierende Akademie für Alte Musik Berlin mit René Jacobs am Pult richtig in Fahrt und sorgt dafür, dass man auf der Stuhlkante sitzend mit Agilea und Teseo zittert, ob es mit ihnen ein gutes Ende nimmt. Es nimmt. Denn Egeo, der Teseo mit von Medea vergiftetem Wein am Hochzeitsfest von Egilea und Teseo töten soll, erkennt im letzten Moment seinen verschollenen Sohn.

Medea geht als Verliererin aus dem Liebeskampf hervor und fährt, zwar mit Stolz und Würde, aber auch großem Getöse, in feuerroter Robe und unter Donnergrollen in die Hölle. Gaëlle Arquez gibt die Zauberin mit einer perfekten Mischung aus herausragender Gesangskultur auf Linie und in den Koloraturen und Expressivität, wohingegen Mari Eriksmoens Agilea mädchenhaftere Züge trägt und stimmlich etwas neutral wirkt. Christophe Dumaux als Egeo besticht mit der Virtuosität und Geschmeidigkeit seiner virilen Tongebung. Seinen Sohn Teseo singt Lena Balkina stilistisch souverän. Neben Teseo und Agilea gibt es am Schluss noch ein zweites glückliches Paar: Agileas Vertraute Clizia und Arcane, die mit Robin Johannsen und Benno Schachtner sehr gut besetzt sind.

Die Chorpartie hat René Jacobs in der für Wien geschaffenen Fassung aufgewertet, sodass der Arnold Schoenberg Chor seinen guten Ruf bestätigen kann. Auch die gestrichenen Rezitative sind wieder integriert, Orchestereinleitungen aus anderen Werken wurden übernommen, einige Nummern wurden bearbeitet. Jacobs hat undogmatisch eine Spielfassung erstellt, dank der das Werk den Ansprüchen an eine Aufführungstauglichkeit genügen kann. Ob es in Zukunft öfter gespielt wird, ist eine andere Frage.

Teseo - weitere Vorstellungen im Theater an der Wien am 21., 23. und 25. November - Ö1 sendet Teseo am 24. November um 19.30 Uhr - nächste Premiere im Theater an der Wien gilt am 12. Dezember Carl Maria von Webers Euryanthe - ww.theater-wien.at
Bilder: Herwig Prammer