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Überwältigt vom Maschinen-Krieg

HINTERGRUND / NESTROY-PREISE

20/11/18 „Der Krieg ist eine wuchtige Maschine, die kaum aufzuhalten ist und allen ihr Tempo aufzwingt.“ Das hat Ulrich Rasche in seiner Inszenierung von Aischylos' Die Perser für die Salzburger Festspiele wörtlich und bildlich so umgesetzt, dass die Nestroy-Jury für diese Produktion als „Beste Aufführung im deutschsprachigen Raum“ votierte.

Von Reinhard Kriechbaum

Es sei – so heißt es in der Jurybegründung eine Aufführung, die „den Theaterraum nahezu sprengt, die Zuschauer mit einem Technik-Spektakel überrumpelt und dennoch den Schauspielern Raum zur Entfaltung“ gebe. „Auf einer hydraulisch bis zur Steilwand verstellbaren Drehscheibe sieht man die stolze Jugend in ihr Verderben ziehen, ihre rhythmisierten Chöre untermalt durch permanente, weitertreibende Musik. Doch davor, in den Zuschauerraum hineinragend, rotiert eine weitere Scheibe. Rasche lässt hier nicht nur Königsmutter Atossa, sondern zwei weitere Frauen grübeln, räsonieren, warnen: Er hat den Chor des persischen Ältestenrates ebenso wie Dareios' Geist mit Frauen besetzt. Weibliche Ratio steht damit gegen männliche Hybris, Individualität gegen die Masse.“ Es war eine Koproduktion der Festspiele mit dem Schauspiel Frankfurt.

In dieser Aufführung war Valery Tscheplanowa, dabei, die nächstjährige Buhlschaft im Jedermann.

Der „Nestroy“ für ein Lebenswerk ging an Peter Handke. Dazu die Jury: „Publikumsbeschimpfung und Selbstbezichtigung, beide 1966 uraufgeführt, waren radikale Infragestellungen von Konventionen, kraftvolle, selbstbewusste Statements. Stücke wie Das Spiel vom Fragen oder Die Stunde da wir nichts voneinander wußten waren Anfang der 1990er poetische und teilweise sprachlose Bühnenerzählungen, die in märchenhafte Welten entführten. Immer noch Sturm, 2011 mit dem Nestroy-Autorenpreis ausgezeichnet, oder zuletzt Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße betrieben historische Spurensuche und rieben sich an der Gegenwart. Kein Zweifel: Peter Handke, der demnächst seinen 76. Geburtstag feiert, hat Theatergeschichte geschrieben. Er, der sich bewusst aus der Zeit nimmt, war in seinen Stücken stets auch ein Spiegel für die Gesellschaft, von der er sich ostentativ fernhält.“ Sein „gigantisches Werk, vom Suhrkamp Verlag in eine 11.400 Seiten umfassende "Handke Bibliothek" gefasst“, sei „zu guten Teilen auch das eines Dramatikers“. Diese zwanzig Stücke seien „keine Well-made-Plays, keine mit routinierten Theatermitteln zum Laufen zu bringende Dialog-Maschinen, sondern in ihrer ganzen Eigensinnigkeit auch Widerstandsakte gegen die Gewohnheiten des Herstellens und Wahrnehmens“.

Als Beste Schauspielerin wurde Caroline Peters für ihre Rolle in „Hotel Strindberg“ (Simon Stone nach August Strindberg) im Akademietheater gekürt. Dort wurde auch „The Who and the What“ von Ayad Akhtar, österreichische Erstaufführung, zur österreichischen Erstaufführung gebracht, für die Rolle des Afzal wählte man Peter Simonischek als Besten Schauspieler. Weitere Schauspieler-Auszeichnungen: Dörte Lyssewski (Beste Nebenrolle), Lara Sienczak und Peter Fasching (Bester Nachwuchs).

Als Beste Regiearbeit wertete die Nestroy-Jury Dušan David Pařizek mit „Vor Sonnenaufgang“ von Ewald Palmetshofer nach Gerhart Hauptmann. Auch das eine österreichische Erstaufführung im Akademietheater.

In der Kategorie Beste Bundesländer-Aufführung war, wie berichtet, eine Produktion des Schauspielhauses Salzburg nominiert: Für den Text „Srebrenica“ von betrieben regisseur Peter Arp und das Ensemble Recherchen vor Ort. Den „Nestroy“ in dieser Gruppe hat schließlich das Stadttheater Klagenfurt für „Iwanow“ von Anton Tschechow in einer Inszenierung von Mateja Koležnik eingeheimst. Die slowenische Regisseurin inszeniert nächstes Jahr auf der Pernerinsel Maxim Gorkis Sommergäste.

Als Bestes Stück fand jedermann (stirbt) von Ferdinand Schmalz, uraufgeführt im Burgtheater, die Sympathien der Jury. Nikolaus Habjan, der umtriebige Theatermann und Puppenspieler, bekam den Publikumspreis. Ein Spezialpreis ging ans Nature Theater of Oklahoma (Kelly Copper & Pavol Liska), dass beim vorigjährigen steirischer herbst Die Kinder der Toten nach Elfriede Jelinek umsetzte.

Über die Auszeichnung und die Geehreten: www.nestroypreis.at
Bild: Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig
Zur DrehPunktKultur-Besprechung der „Perser“
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Zur Glosse Woyzeck war ein Perser

 

 

 

 

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