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Herrn Claudes Gespür für Schnee

WIEN / ALBERTINA / CLAUDE MONET

24/12/18 Die ersten Schneeflocken der Kunstgeschichte hat Pieter Breugel gemalt. C. D. Friedrich malte eine bizarre arktische Eislandschaft mit geborstenem Segelschiff. Doch nur die Winterbilder von Claude Monet öffnen den Blick für die Poesie schnee-matschiger Kleinstadtstraßen und ungeräumter Bahnsteige. In subtilen Farben bannt Monet sogar die Gewalt eines zerstörerischen Eisgangs bei trübem Wetter.

Von Heidemarie Klabacher

Das Flirren des Sonnenlichts über Seerosenteichen sollte alles verändern, was bis dahin in der Landschaftsmalerei Gültigkeit besaß. Genau, wie die, mit zunehmender Sehschwäche des Malers, im Abstrakten sich auflösende Allee im Garten in Giverny oder die sich zusammen mit den Wolken im Überirdischen auflösende Fassade der Kathedrale von Rouen. Die Auflösung der Form – von Seerosenblatt oder Fensterrosette – ist es, die die Sogkraft der Gemälde von Claude Monet (1840-1926) ausmacht. Was ist Spiegelung im Wasser, was Spiegelung im Geist des Betrachters...

Die Ausstellung Claude Monet in der Albertina überwältigt denn auch mit einer Vielzahl von Seerosen aus verschiedenen Schaffensphasen. Mit Seerosen oder Seerosenteichen, von denen einige als Teile von Zyklen seit ihrer Entstehung nicht mehr miteinander zu sehen waren. So ist etwa Der Seerosenteich der Albertina, 1917−1919 Sammlung Batliner, erstmals wieder inmitten jener Bilder wieder zu sehen, in deren Verbund er einst entstanden ist.

Sei es der Weg bei La Cavée bei Pourville aus 1882, der zwischen blühenden Wiesen steil und verheißungsvoll hinunterführt ans Meer, oder der deutlich weniger geheimnsisvolle aber ebenso sommerwarme Pfad durch die Mohnblumen auf der Insel Saint-Martin von 1880: Ist es in Claude Monets Bildern tatsächlich immer Sommer? Dachte man durchaus. Bis die Jahrhundertausstellung in der Albertina dem staunenden Betrachter eine überwältigende Zahl von Winterbildern von überwältigender Tiefe vor Augen stellte.

Da ist das bedrohlich stille Gemälde aus 1882 Eisgang, trübes Wetter in dem das Eis auf dem zugefrorenen Fluss schon wieder zerborsten und im abdriften ist, nachdem es unter den Erlen und Weiden der Aulandschaft verheerende Schäden angerichtet hat. Da sind die – rührend vertrauensvoll von der Entwicklung neuer Verkehrsmittel erzählenden – Scheinwerfer der Eisenbahn im Schnee, Lokomotive aus dem Jahr 1875 oder die anno 1878/79 von einem ziemlich gatschig wirkenden Flussufer aus betrachtete Kirche von Vétheuil im Schnee.

Sogar das hinreißende Gemälde aus 1873 Madame Monet mit rotem Kopftuch – auf dem die Dargestellte draußen auf der Terrasse dem Maler im Zimmer wie einem Fotografen ins Bild zu laufen scheint – ist ein „Winterbild“. Um wie vieles konventioneller, geradezu an Renoir erinnernd, ist dagegen das „Sommerbild“ Camille Monet mit Kind im Garten aus 1875 – obgleich dort die Rosen- (oder Hortensien oder Pfingstrosen) Hecke bereits ebenso in Auflösung begriffen ist, wie Jahre und Jahrzehnte später die Seerosen.

Singulär ist die Ausstellung in der Albertina auch deswegen, weil sie anhand von insgesamt hundert Gemälden Monets künstlerische Entwicklung vom Jugend- bis zum Alterswerk nachvollziehbar macht, aber auch an ein Leben erinnert, das Höhen und zahlreiche Tiefen kannte.

Stationen im Leben des Künstlers, wie die Flucht vor dem Einberufungsbefehl in den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 oder vor drückenden Schulden von Argenteuil nahe der Metropole Paris ins abgelegene Dorf Vétheuil, werden nachvollziehbar. So spiegelt die ein wenig triest wirkende Kirche von Vétheuil im Schnee tatsächlich die schwierige aktuelle Lebenssituation dieser Jahre. Während allerdings das spätere Winterbild Raureif in Giverny - Weiß in Weiß und zartestem Rosa - aus dem Jahr 1889 ebenso delikat und zeitlos heiter zu sein scheint, wie der Sommer über den Seerosenteichen.

Die Leihgaben stammen aus internationalen Museen und Privatsammlungen wie dem Musée d’Orsay Paris, dem Museum of Fine Arts Boston, der National Gallery London, dem National Museum of Western Art Tokio oder dem Pushkin Museum Moskau. Singulär ist die Zusammenarbeit der Albertina mit dem Musée Marmottan Monet, Paris.

Claude Monet – bis 6. Jänner in der Wiener Albertina - 24. Dezember 9 bis 14 Uhr, 31. Dezember 9 bis 18 Uhr, 26. bis 30. Dezember täglich 9 bis 21 Uhr, 1. bis 5. Jänner täglich 9 bis 21 Uhr – Info und online Ticket-Reservierung - www.albertina.at
Bilder: Museu Calouste Gulbenkian, Lissabon; Catarina Gomes Ferreira; RMN-Grand Palais/Musée d’Orsay/Stéphane Maréchalle; The Cleveland Museum of Art; Musée Marmottan Monet, Paris, Bridgeman Images

 

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