Lorbeer anstatt Fleischeslust

GRAZ / STYRIARTE / DAFNE IN LAURO

24/06/19 „Gefangen wird der kleine Vogel, weil er leicht und unbekümmert losgeflogen ist“, singt Daphne, die selbst alles andere ist als ein solch unbekümmertes Vögelchen: Sie widersteht allen Liebesbeteuerungen Apolls, entzieht sich fleischlicher Liebe durch vegetabile Verwandlung in einen Lorbeerbaum.

Von Reinhard Kriechbaum

In besagter Vögelchen-Arie der Dafne ist es endlich so weit: Da kommt das Chalumeau zum Einsatz, jener exotische, gerade zwei Handspannen lange Klarinettenvorläufer, dessen feinen Klang die komponierenden Habsburgerkaiser des frühen 18. Jahrhunderts, von Leopold I. bis Karl VI., so sehr schätzten. In den damals für den Wiener Hof entstandenen Opern fehlt das Chalumeau kaum einmal. In Johann Joseph Fux' Oper Dafne in Lauro, 1714 zum Geburtstag von Karl VI. entstanden, ist es nicht anders. Fux ließ sich zur Sopranstimme eine klanglich bezaubernde Begleitung von Chalumeau, Traversflöte und Fagott einfallen.

Die mythologische Geschichte um Daphne und Apoll ist Teil zwei eines im Vorjahr bei der Grazer Styriarte begonnenen Projekts zur Wiedererweckung von Fux-Opern. Es wird 2023 in eine Aufführung der einst hochberühmten Costanza e fortezza münden. Werke wie diese Dafne dienten nicht der Volksbelustigung. Es ist Musik eines Könners (Fux wurde ein Jahr später Hofkapellmeister in Wien) für einen Kenner auf dem Thron. Das merkt man dieser Musik Takt um Takt an. Selbst die Ouvertüre, die mit befeuernden Jagdfanfaren-Motiven direkt in die Szenerie um Diana und die ihr dienenden Nymphen führt, schwenkt rasch in ausgefeilte Kontrapunktik. Fux wusste, dass er vor dem musikkundigen Herrscher die kompositorische Rhetorik mit erheblichem Raffinement ausreizen konnte.

Was für wunderbare Erfindungen etwa in einem Duett zwischen Apollo und Daphne: Der liebestrunkene Gott schwelgt zu einem leicht schwebenden Cello-Continuo, wogegen sich die Ablehnung der Nymphe in kantigen Bassfiguren niederschlägt, die in der Grazer Aufführung dem Fagott anvertraut wurden – ein höchst plastisches Aufeinanderprallen von Begierde und Zurückweisung.

Solche Pikanterien zuhauf hat in der Helmut-List-Halle, dem Haupt-Aufführungsort der Styriarte, Alfredo Bernarcdini am Pult des Zefiro Barockorchesters mit Pikanterie herausgearbeitet. Gerade die impulshaften Fagott-Beiträge (in der sonst eher Streicher-basierten Partitur) waren höchst bemerkenswert. Dafne in Lauro ist eine Huldigungsoper für den Herrscher, deshalb ein vergleichsweise beschwingtes Werk, in dem viele Arien auf Tanzrhythmen basieren. Umso auffälliger das große Lamento der Daphne, wenn's an die Verwandlung geht: eine fast zehnminütige Nummer, die allein von solistischer Gambe (Lorenz Duftschmid), Cello und Kontrabass getragen wird. Arianna Vendittelli in der Titelpartie, auf der gesamten Ausdruckspalette gefordert, wusste auch dieses intime Stück bezwingend und ohne jeden aufgesetzten Affekt zu gestalten.

Überhaupt eine eine sängerisch rundum überzeugende Aufführung, der Sonia Tedla als Amore und der Countertenor Raffaele Pe als Apollo besondere Akzente gaben. Die mahnenden Stimmen aus dem Parnass: die Sopranistin Monica Piccinini (Diana) und der Tenor Valerio Contaldo (Mercurio).

Szenisch fühlte man sich beinah in eines jener Kinderbücher versetzt, die man aufklappen und mittels Papier-Schubern bewegen kann: Regisseur Wolfgang Atzenhofer lässt die Geschichte vor den Ruinen eines Nymphäums spielen, die Projektionen der Säulen und Bögen kommen in Bewegung – barockes Maschinentheater in heutiger Anmutung. Tanz drängt sich auf in dieser Opert, man hat dies so gelöst, dass Daphne weitere Nymphen, eben Tänzerinnen, zur Seite hat.

Letzte Aufführung heute Montag (24.6.) um19 Uhr in der Helmut List Halle -  Hörfunkübertragung am 3. Juli um 19.30 auf Ö1 - die Styriarte dauert bis 21. Juli – www.styriarte.com
Bilder: Styriarte / Nikola Milatovic