Königin Orasia ist eifersüchtig

REST DER WELT / GREIN / ORFEO

08/08/10 Kein philharmonischer Breitklang wie derzeit in Salzburg und auch nicht Musik von Gluck: Michi Gaigg, seit fünfzehn Jahren Leiterin der Donau-Festwochen im Strudengau, hat Georg Philipp Telemanns "Orfeo" der Vergessenheit entrissen. Premiere war am Samstag (7.8.) auf der Greinburg.

Von Horst Reischenböck

Der Sänger Orpheus liebt nicht die Herrscherin. Also lautet deren Forderung, Eurydice durch einen Schlangenbiss ins Jenseits zu befördern, damit der Weg für sie frei ist. Doch die Rechnung geht für Orasia, die Königin von Thrakien, nicht auf: Orpheus will Eurydice wieder zu sich holen. Nur dass er diesmal aus Ungewissheit heraus selbst nicht an sich halten kann und seine Geliebte ein zweites Mal verliert. Nochmals begehrt er Einlass in die Unterwelt, der ihm aber nun nicht mehr gewährt wird. Mit dem Wissen, wer am den Tod Eurydices schuld ist, lässt er Kummer wie Wut verbal an Orasia aus, die nun ihrerseits auf dem Fest des Bacchus Furien auf Orpheus hetzt. Also kein „lieto fine“ - weder für die Königin, die allein zurück bleibt, und noch weniger fürs Publikum.

Vor 285 Jahren ist Telemanns "Orfeo" nur einmal konzertant aufgeführt worden. Es gilt, tiefer und umfangreicher als gewohnt in die Mythologie einzutauchen, hieß der Untertitel bei einer späteren Aufführung ja „Die rachbegierige Liebe, oder Orasia, Verwittwete Königin in Thracien“. Diese tritt auch gleich auf und beschwert sich über die mangelnde Zuneigung, die ihr Orfeo entgegenbringt. Regisseurin Manuela Kloibmüller lässt die Königin in der Badewanne sitzen, und es sind ihr auch noch andere nette Gags eingefallen. So führt sie Orpheus’ Freund Eurimedes ein, der als Poet mit Schreibfeder immer wieder in die Handlung eingreift.

Telemann hatte es wohl mit Bildungsbürgern zu tun, denen „vermischter Geschmack“ durchaus zuzumuten war. Nicht alles innerhalb der drei Akte wird Deutsch gesungen: Manches, etwa Orasias beide grandiose Rachearien ist in Italienisch, die Chöre der Nymphen und der Furien in Französisch. Dem entspricht Telemanns Musiksprache, der ja in allen Stilen virtuos heimisch war. Wie der Hamburger Opern-Meister und "Generalmusikdirektor" etwa mit einfachsten Mitteln Orpheus’ Traurigkeit mit kaum mehr als Streicherpizzikati verstärkte, dessen letztes Rezitativ durch die Oboe solistisch untermalte, wirkt auch heute noch unmittelbar berührend. Emotionen aller Arten werden ohne langatmige Instrumentaleinstiege wirkungsvoll unterstützt. Koloraturen sind wirkkräftiges Ausdrucksmittel und nicht Demonstration geläufiger Gurgeln.

Stimmliche Virtuosität dürfen vor allem die Sopranistinnen ins Treffen führen, allen voran Karina Lochner als Orasia. Ihr so ebenbürtig wie unterschiedlich im Ausdruck Barbara Kraus als Dienerin Ismene. Nicht zu vergessen auch Marelize Gerber in dem Buffo-Einschub der freiheitsliebenden, schnippigen Nymphe Cephisa in ihrem Geplänkel mit Christian Zenkers schlank geführtem Tenor als Eurimedes. Ulrike Hofbauers Eurydice entspricht perfekt der angesagt lieblichen Sanftmut. Ihrem baritonalen Orpheus – dergestalt als eigentlich oder doch auch wiederum nicht „Held“ außergewöhnlich für damalige Zeiten besetzt – singt Markus Volpert genauso differenziert. Ein Gustostückerl liefert der Bass Reinhard Mayr, der als Pluto mit Regenschirm bewaffnet poltert und die Seelen in rabenschwarzer Tiefe zur Ruhe aufruft.

Das alles in Kostümen und in der praktikablen Szenerie Isabella Reders, die mit einem Podest, einem Baum und einer Treppe das Auslangen findet. Wie stets beflügelt durch Michi Gaiggs ambitionierte Leitung ihres perfekt musizierenden L’Orfeo Barockorchesters. Ein durchschlagender Erfolg!

Weitere Aufführungen am 8., 13., 14. und 15. August, jeweils 18 Uhr auf der Greinburg. - www.donau-festwochen.at
Bilder: Donau-Festwochen / Reinhard Winkler
Wer die Stimmen von Ulrike Hofbauer, Barbara Kraus, Reinhard Mayr und Christian Zenker genießen möchte: Im Vorjahr dirigierte Michi Gaigg im Brucknerhaus Joseph Haydns Oper „Die wüste Insel“ – die Spätfassung von „L’isola disabitata“, jüngst als dhm / SONY CD 8869759852 erschienen.