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Ein Reigen vom Feinsten

KUNST UNI GRAZ / REIGEN

30/01/23 Die Dirne, der Soldat. Der Soldat, das Stubenmächden. Das Stubemädchen, der junge Herr... und weiter im Reigen, die soziale Leiter hinauf in die Einsamkeit? Oder treffen sich am Morgen „danach“ alle Beteiligen einträchtig beim gemeinsamen Frühstück am Küchentisch im Stundenhotel?

Von Heidemarie Klabcher

Philippe Boesmans Oper Reigen auf ein Libretto von Luc Bondy nach Arthur Schnitzler ist ein subtiles Kammerspiel von Einsamkeit und Leere mit berührender Hoffnung auf Liebe und Nähe. Eine Produktion der KunstUniGraz, szenisch, musikalisch und sängerisch ein Wurf, legt diese Lesart nahe.

Regie in der Ausstattung von Hana Ramujkic führt der Opern- und Schauspielregisseur Ingo Kerkhof, der neue Professor für Musikdramatische Darstellung und szenische Interpretation an der KunstUniGraz.

Die musikalische Leitung hat die Dirigentin Claire Levacher, Professorin für Orchesterausbildung. Es spielt das KUG-Opernorchester, es singen Gesangsstudierende.

Kerkhof, dem in früheren Arbeiten auch mal „Überzeichnung“ oder „Sterotypisierung“ seiner Figuren attestiert wurde, zeichnet in dieser Inszenierung geradezu subtile Porträts von Menschen in aller Eitelkeit, Verletzlichkeit, Einsamkeit. Der Dichter ist hier eine Nobelpreisträgerin aus dem Baltikum. So kommen auch mehrmals Frauenpaare zusammen.

Stimmlich sängerisch jeweils ein Genuss. Und Eitelkeit oder Borniertheit sind über-geschlechtlich: „Ich liebe Deine heilige Einfalt...“ Dagegen klingt es seltsamerweise gar nicht karikierend, wenn der Ehemann das „Heimweh nach der Tugend“ beschwört.

Ein bunter Sub-Reigen von Figuren, die Kartonschilder herbei und wieder wegtragen, erweitert das Personal ins quasi Alltäglich-Heutige. Diese Kartons tragen Auffschriften wie: Sexuell ausgehungert. Unverheiratet. Züchtet Orchideen. Schätzt die Möglichkeit. Wäre lieber ein Mann. Einsam. Liebt Tauben... Letzteres passt gut, weil immer wieder auch aus dem biblischen Hohelied zitiert wird: „Schön bist du, meine Freundin, schön bist du, zwei Tauben sind deine Augen.“

Dass immer wieder Witz und Ironie durchschlagen, ist wohldosierter Karikierung zu danken, die nie in Klamauk umschlägt und daher nie die dichte Atmosphähre zerstört. Zu dieser trägt ein leitmotivisch durch  die Szene sich begwegener Engel ganz wesentlich bei: Er bringt dem jeweils neuen Paar eine Orange vorbei, könnte biblisch gelesen werden, uns singt zweimal wie ein Engel.

Reigen wurde 1993 am Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel uraufgeführt. Die Musik des belgischen Komponisten Philippe Boesmans (1936-2022) ist ihrerseits ein verführerischer Reigen quer durch die Musikgeschichte. Gustav Mahlers Naturlaut hört man ebenso vorüberziehen, wie vielfarbige Anklänge an Alban Berg, Jazziges, wie Barockes.

Dennoch keine postmoderne Zitatensammlung, sondern kluge Musik, die den Volkalisten über weite Flächen abstrakten Klangs (gemäßigt zeitgenössischer Natur) hinweg Luft und Raum gibt, sich zu entfalten. Rattenfängermusik im bestem Sinne. Könnte süchtig machen.

Claire Levacher leitet das Kammerorchester der KUG entlang der genau richtig gezogenen Linie zwischen immer wieder kraftvoll hervortretenden virtuosen Soli, besonders der Bläser, und facettenreichem Sound, dem die Stimmen ihre Glanzpunkte setzen können. Gesungene Sprache versteht man übrigens besser, als die wenige gesprochenen Passagen. Ein paar Sätze Heimisch- Wienerisch sind Stilmittel und Verbeugung vor dem Original, werden ebenfalls nicht ausgereizt.

Weil jede und jeder dieser jungen Sängerinnen und Sänger hervorragende Einzelleistungen und alle zusammen eine geradezu stupende Ensemble-Leistung hingelegt haben, seien sie auch alle genannt: Laure-Catherine Suzan Beyers, Melis Burcu Demiray, Alessandra Djurdjević, Christoph Gerhardus, Andrej Glavan, Taku Hayasaka, Harald Hieronymus Hein, Marija-Katerina Jukić, Lovro Korošec, Lovro Kotnik, Barbora Michalcovská, Christine Rainer, Ursula Roomere, Anna Amanda Stolere, Justina Vaitkute und Oksana Vakula. Bravi. Bravi!

Reigen – weitere Vorstellungen Montag (30.1.), Mittwoch (1.2.) und Donnerstag (3.2.) jeweils um 19 Uhr im György-Ligeti-Saal des MUMUTH Graz – Info und Streaming-Links für die Aufführungen am 1. und am 2. Februar  – www.kug.ac.at
Bilder: PhotoWerk_KUG/Werner Kmetisch; Johannes Gellner

 

 

 

 

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