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Ein Großer Abend der Stimmen

REST DER WELT / WIEN / DON CARLO

26/06/12 Ziel war es, die altmodische, aber durchaus repertoiretaugliche Staatsopern-Produktion des "Don Carlo" von Pier Luigi Pizzi gegen eine neue, frischere Inszenierung auszutauschen. Nun hat man beide Fassungen im Repertoire, die italienische und die französische.

Von Andreas Vogl

Franz Welser-Möst, Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper, dirigiert das erste Mal Verdi an seinem Haus. Er setzt weniger auf richtige Italianitá und spannt auch sonst keinen sonderlich großen Bogen über das Werk. Effektvolle, auf Ziel gesteuerte Aktschlüsse und spannungsgeladene Chorensembles vermisst man leider. Dafür versteht sich Welser-Möst auf die Zeichnung intimer Szenen: im Gedächtnis bleiben das temperamentvolle und zackige Schleierlied von Prinzessin Eboli (hinreissende Piani von Luciana d'Intino), das sehr kantable und innige Freundschaftsduett Carlo-Posa, sowie die oftmalige Akzentuierung von Bläser- und Streicherfiguren in ariosen Passagen, die hörbar machen, wie sehr die Wiener Philharmoniker die "Carlo"-Musik verinnerlicht haben. Eher schludrig wirkten in der besuchten Aufführung (19.6.) Ensembles wie das Terzett Posa-Carlo-Eboli, das Concertato in der Autodafé-Szene und das Quartett im dritten Akt. Hier würde man sich eine bessere Sängerführung wünschen.

Die Sängerbesetzung ist glänzend, allen voran Ramon Vargás als Don Carlo. Er gestaltet Lyrismen genauso wie heldische Ausbrüche und kann die Figur zwischen resignierender Naivität und pubertärer Aufmüpfigkeit musikalisch glaubhaft darstellen. Krassimira Stoyanova singt erstmal die Elisabetta. Ihr Sopran ist tragfähig, edel und raumfüllend. Sie klingt nie forciert, hat auch wenig Anstrengung in Höhe und Tiefe. Die große Arie "Tu che le vanitá" singt sie in der klaustrophobischen Enge eines Lichthofes, stimmlich lyrisch und innig. Carlos Freund und Vertrauter Marquis von Posa ist der routinierte Simon Keenlyside, einer der besten Interpreten dieser Rolle unserer Tage. Seine Baritonstimme wird klug geführt und verströmt Verdischen Belcanto.

René Pape ist in die Rolle des König Phillip hineingewachsen. Vor zehn Jahren bereits hat er ihn u.a. in Salzburg gesungen. Vielleicht noch zu jung damals, aber jetzt, gereift an Rollen wie Marke und Wotan – leidenden großen Männern – ist Pape stimmlich zu großartigen Nuancen fähig. Wut, Zorn, Trauer, Angst – alles vereint sich in der edlen Bassstimme. Seine Arie "Ella giammai m'amo" am Anfang des dritten Akts gerät wiederum nur durch leichte Asynchronität in der Tempowahl etwas aus den Fugen. Eric Halvarsson als Großinquisitor: Bedrohlich in Aussehen und Stimme beharrt er auf der Machtlosigkeit des Königs gegenüber der Kirche.

Luciana d'Intino gibt die Prinzession Eboli. Sie hat die Rolle bereits in den Neunzigern an der Scala unter Riccardo Muti und später auch immer wieder an der Wiener Oper gesungen. Ähnlich wie bei Pape lässt sich ein Reifeprozess feststellen. Auch wenn sich Registerbrüche von der Tiefe bis zur Höhe bemerkbar machen, vermag d'Intino gerade in ihren beiden Paradearien - dem Schleierlied und dem "Don fatale" das Publikum mit Dramatik und musikalischem Gespür zu begeistern. In den Nebenrollen agieren Ileana Tonca (Tebaldo), Dan Paul Dumitrescu (Mönch), Carlos Osuna (Lerma) sowie die lupenrein klingende Stimme aus dem Himmel von Valentina Nafornita dem hohen Sängerniveau entsprechend.

In den kommenden Besetzungen des "Don Carlo" im Repertoirealltag wird man sich stets voll und ganz auf die hochwertige musikalische Ausführung konzentrieren müssen: Denn Daniele Abbado, Sohn des Dirigenten Claudio Abbado, hat ganz mit der Musik Regie geführt. Es ist ihm gemeinsam mit dem Bühnenbildner Angelo Linzalata zwar kein großer Wurf gelungen, dennoch kann man diesen, vor allem durch effektvolle Licht/Schattenwirkungen ästhetisch gelungenen "Carlo" durchaus wertschätzen. In Zeiten modernen Regietheaters sollte man sich freilich genauer überlegen, wen man an welche Werke ranlässt, zumal es in Wien auch die französische Originalfassung in der exemplarischen Produktion von Peter Konwitschny zum Vergleich gibt - eine der klügsten modernden Verdi-Regien der letzten zehn Jahre.

Zu bemängeln ist bei Abbado einerseits, dass er wieder einmal nur ein düsteres Spiel auf die Bühne stellt. Schwarz- und Grautöne dominieren, kahle Wände in einem nach allen Seiten hin zu öffnenden Kubus zeigen die Auswegloskeit der Figuren (wie schon bei Konwitschny). Die schlichten Kostüme (von Carla Teti) geben ein paar bunte, aber zu unüberlegte Akzente. Große Szenen wie das Autodafé und die Stürmung des Gefängnisses sind ohne Vision umgesetzt. Außerdem erscheint es problematisch, die Handlung ins 19. Jahrhundert zu verlegen. Spanien als Ort der Handlung ist wenig bis gar nicht definiert, die Inquisition und die politischen Querelen um Flandern sind dann schon längst passé.

Die Szene könnte schnell belanglos wirken, wenn man nicht wie in der Premierenserie eine so aussagekräftige Sängerbesetzung zur Verfügung hat.

Die nächsten Aufführungen: 26., 29. Juni, 4., 7., 10., 13. September - http://www.wiener-staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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