Weiterhin eine überzeugende „Dachmarke“

REST DER WELT / LOCKENHAUS

12/07/12 Freilich fehlen einige Anhänger von Gidon Kremer, und es kommen auch weniger Deutsche nach Lockenhaus. Der neue künstlerische Leiter Nicolas Altstaedt kann trotzdem, mit Optimismus in die nächsten Jahre gehen.

Von Wolfgang Stern

altDie Konzerte am ersten Wochenende waren gut besucht, die Kirchenbänke etwa zu einem Dreiviertel besetzt. Nicolas Altstaedt löste die stark baltisch geprägte Musikerszene ab und wurde wieder mehr offen für in erster Linie junge Künstlerinnen und Künstler aus dem gesamteuropäischen Raum. Der Wechsel war sicher gut und gibt auch dem Publikum, das nun hauptsächlich aus Österreich kommt, die Chance, Talente und Freunde der Kammermusik mit Kontakten zum neuen musikalischen Chef kennen zu lernen.

In Kirche, Schule und Burg wurde wie gehabt musiziert, 15 Konzerte an sieben Tagen bieten ein dicht gedrängtes Programm, wobei man den Usus beibehalten hat, die Programme erst einen Tag vorher bekannt zu geben. Drei Nachtkonzerte begannen erst um 22.30 Uhr. Zum Generalthema „Metamorphosen“ gab es viel zu entdecken, Lockenhaus ist wie bisher Werkstatt, wo das „Sich-Austauschen“ ein zentraler Punkt war. Wieder waren fast alle Proben öffentlich zugänglich und bei Zeit und Glück konnte man die Entstehung eines Werkes in einer ganz neuen Formation miterleben. In der Programmgestaltung legte Altstaedt besonderen Wert darauf, dass die zeitgenössische Musik nicht zu kurz kommt. Sie wurde in eher kleinen Portionen bei jedem Konzert berücksichtigt. Da konnte es also schon einmal Cage oder Ligeti neben Schubert oder Vivaldi sein.

Ligetis Bearbeitung der Old Hungarian Ballroom Dances musizierte man im Septett auf höchstem Niveau, ein jeder wirkte wie ein Mosaikstein für eine in Summe fulminante Wiedergabe. Großartige Musikerinnen und Musiker fanden sich zu einem weiteren Septett für Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ zusammen, Michael Dangl textlich – manchmal zu laut – mit hoher Stimmkultur den Ablauf der vier Konzerte kommentierte.

Oft vermisst man bei Klavierstücken zu vier Händen eine gewisse Sensibilität und Pianokultur. Am Ungarn-Abend der Konzertreihe zeigten Cristina Barbuti und Alexander Lonquich in ehelicher Partnerschaft, wie man es bei Schuberts Divertissement a la hongroise, D 818, macht: Extreme dynamische Klangstrukturen sind eine Selbstverständlichkeit, man bleibt sachlich und neigt keinesfalls zu schwulstigen Übertreibungen.

Bemerkenswerte Begegnungen: mit der Flötistin Janne Thomsen, den Geigern Nicolas Dautricourt, Gábor Homoki und Pekka Kuusisto, dem Kelemen-Quartett, dem großartigen Oboist Maurice Bourgue (der Senior unter den Musikern), der Hornistin Zora Slokar.

www.kammermusikfest.at
Bild: Kammermusikfest Lockenhaus / Marco Borggreve