Sehr, sehr viel gedacht

REST DER WELT / GRAZ / ZAUBERFLÖTE

20/11/13 Die „Zauberflöte“ liegt in der Luft. An der Staatsoper haben sich Moshe Leiser und Patrice Caurier für ein märchenhaft-tierisches Ambiente entschieden. Ganz anders an der Grazer Oper, wo die Französin Mariame Clément teils in apokalyptische, teils in intellektuelle Welten vorstößt.

Von Reinhard Kriechbaum

077Wie man’s macht ist es bei der „Zauberflöte“ halt falsch. Nicht immer, aber oft. Setzt man aufs Märchenhafte, dann nörgeln manche, dass das ja viel hintergründiger, tiefenschichtiger gemeint sei. Zielt man aber dorthin, dann geht das Leichte, Spielerische allzu rasch verloren.

In Graz setzt Mariame Clément innige Vertrautheit mit dem Stoff voraus. Manch lieb gewonnener Gag wird bestenfalls angedeutet, etwa der Konkurrenzkampf der Drei Damen gleich am Beginn. Kennt eh ein Jeder, mag sich die Regisseurin gedacht haben. Sie führt uns vor der Pause in eine Savannenlandschaft. Dort haust Papageno in einem 079Flugzeugwrack und Monostatos gleich gegenüber in einem Erdloch. Tamino – ein koreanischer Sänger – schneit da auf nicht näher beschriebene Art herein und spricht sogar gelegentlich Koreanisch! Die Drei Damen kommen als Vertreterinnen der drei Lebensalter (die mittlere ist schwanger, die dritte geht am Stock) daher. Und Sarastros Gefolge ist eine Schar von Naturkundlern mit Lupen und Botanisiertrommeln, die offenbar genau studieren wollen, was diese trockene Gras-Welt im Innersten zusammenhält.

Im zweiten Akt dann ein Prüfungstempel als holzgetäfeltes Laboratorium. Die Aufmärsche der Eingeweihten schauen ein wenig aus wie die Jahreshauptversammlung der Akademie der Wissenschaft und Künste. Was da an Prüfungen läuft, scheint eh ein abgekartetes Spiel zu sein, und am Ende sinken einander Königin der Nacht und Sarastro (ein Herr mit Blindenstock) als Liebespaar in die Arme. Filmtauglicher Final-Kuss! Aber zu diesem Zeitpunkt ist man als Zuschauer eigentlich schon zermürbt, weil die Regisseurin so viele mögliche Geschichten und Geschichtchen anreißt und eigentlich nichts fertig erzählt. Es bleibt bei – im Detail klugen – Ideen. Mag sich jeder im Publikum dazu denken, was er mag. Gerade im zweiten Akt zerfleddert diese „Zauberflöte“ in unverbundene Episoden.

078Musikalisch sorgt Dirk Kaftan, Generalmusikdirektor in Augsburg und mit dieser Saison auch Opernchef in Graz, für sehr straffe Tempi (in den Ensembleszenen beinah gehetzt). Aber es wird jedenfalls immer auf den Punkt musiziert, alert und unverzärtelt. Das hat Stringenz. André Schuen ist ein überragender Papageno, der demnächst sein Graz-Engagement gegen ein Leben als freischwebender Sänger eintauschen wird: Das kann der am Mozarteum in Salzburg ausgebildete Sänger sich wohl leisten, wird er doch im nächsten frühjahr gleich drei Bariton-Hauptrollen in Mozarts DaPonte-Opern (den Figaro, den Don Giovanni und den Guglielmo) unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt im Theater an der Wien singen.

Yosep Kang ist ein Tamino mit wundersam leichten Höhen, silistisch ein deutscher Tenor aus dem Fernen Osten. Nazanin Ezazi als Pamina wirkte in der Premiere sehr piepsig, das Ensemble als Ganzes gut gewichtet, aber auch reichlich polyglott. Als Königin der Nacht ist am Premierenabend ganz kurzfristig Hila Fahima (eine junge Israelin, seit heuer im Staatsopern-Ensemble) eingesprungen und hat glänzend reussiert.

Aufführungen bis 14. Mai 2014 in der Grazer Oper – www.oper-graz.com
In der Wiener Staatsoper ist „Die Zauberflöte“ in einer Inszenierung von  Moshe Leiser und Patrice Caurier, dirigiert von Christoph Eschenbach, bis 2. Dezember und dann wieder im Juni 2014 zu sehen – www.wiener-staatsoper.at
Durch die ganze Saison ziehen sich die „Zauberflöte“-Auffrührungen im neuen Linzer Musiktheater, wo der Japaner Amon Miyamoto eine sehr poetische Lesart auf die Bühne gebracht hat – www.landestheater-linz.at
Der DaPonte-Zyklus von Nikolaus Harnoncourt im Theater an der Wien, wo André Schuen an jedem Abend eine Hauptrolle singt - www.theater-wien.at
Bilder: Grazer Oper /  Werner Kmetitsch