Weiter so, nur bitte kein Event werden!

 

GRAFENEGG FESTIVAL

19/09/14 45000 Besucher in 29 Konzerten: Schloss Grafenegg mit Wolkenturm, Auditorium, Schlosshof und Reithalle bietet ideale Spielstätten für jede Besetzung und – auch wichtig - für jede Wetterlage.

Von Wolfgang Stern

Auch im achten Jahr war eine Riege von Spitzenorchestern in Grafenegg zu Gast - wobei die Wiener Philharmoniker unter Gustavo Dudamel den einen fluminanten Schlusspunkt setzten. Rudolf Buchbinder, dem künstlerischen Leiter, gelingt es immer wieder, ausgezeichnete Orchester und Musiker einzuladen. Diesmal waren etwa das Toronto Symphony Orchestra, eine phantastische Tschechische Philharmonie, das City of Birmingham Symphony Orchestra, die St. Petersburger Philharmoniker und die Filarmonica della Scala di Milano zu Gast. 

Die „Youngsters“ unter den Dirigenten, Gustavo Dudamel (geb. 1981), Daniel Harding (geb. 1975) und Andrés Orozco-Estrada (geb. 1977), leiteten die letzten drei  Abendkonzerte mit jugendlicher Frische und bestätigten ihre von ihnen erwartete Hochform.

Jörg Widmann war nicht nur Composer in Residence, sondern fungierte auch als Lehrender bei einem Kompositionsworkshop, als Kammermusiker und einfühlsamer Soloklarinettist.

Man hatte auch mit dem Wetter dreimal Glück und konnte so alle Konzerte am Wolkenturm veranstalten. Daniel Harding kam mit der Filarmonica della Scala di Milano und ließ gleich zu Beginn seines Abends dick mit der Ouvertüre zu Verdis „Die Macht des Schicksals“ auftragen. In Einklang mit der souveränen Sopranistin Dorothea Röschmann wurden die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss zu einem beachtenswerten Teil des Abends, ehe man sich Mahlers erste Symphonie vornahm: Naturverbundene Musik im herrlichen Ambiente des Schlossparks, ein Orchester, das keinen Schwachpunkt anmerken ließ und Harding mit eher gemächlichen Tempi, vor allem das Echo am Wolkenturm auskostend. Den Italienern schien es hier trotz kühler Temperaturen zu gefallen.

Es konnte dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich kaum etwas Besseres passieren, als die mehrjährige Zusammenarbeit mit Andrés Orozco-Estrada. Der quirlige Typ - er verlor sogar einmal seinen Taktstock – brachte dieses Ensemble in die Oberliga der österreichischen Orchester. Nach Ravels „La Valse“ und dem Sibelius-Violinkonzert op. 47 mit Nikolaj Znaider als Klassesolisten war Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ an der Reihe, ein Werk, das herausfordert. Orozco-Estrada wirbelte durch die Partitur, seine Musiker folgten ihm gekonnt. In einer solchen Verfassung können die Niederösterreicher überall mitmischen, ohne dabei einen Vergleich scheuen zu müssen.

Den Abschluss bildeten dann die Wiener Philharmoniker, die mit Gustavo Dudamel für die beginnende Tournee nach Luzern und Asien einen der jungen und aktivsten Dirigenten verpflichtet haben. Man kann sich gegenseitig riechen, das spürt man, wenn Dudamel ans Pult kommt. Die gegenseitige Achtung kommt noch dazu, der Erfolg kann bei einer solch positiven Ausgangslage kaum ausbleiben. „Tod und Verklärung“, kaum besser zu interpretieren und absolut passend für eine Aufführung am Wolkenturm, René Staars im Mai uraufgeführtes „Time Recycling“, ein Beitrag des Orchestermitgliedes, beeinflusst von verschiedenen Stilen und Regionen, und schließlich und endlich Antonin Dvoráks achte Symphonie: ein krönender Abschluss des zum achten Mal veranstalteten Festivals, das ein wenig Gefahr läuft, ein Event zu werden. Die Großsponsoren (Bank, Versicherung, Telefonanbieter) bringen leider nicht immer das Fachpublikum mit, das man sich für derlei hochkarätigen Veranstaltungen wünschen würde.