An allem sind die Frauen schuld

REST DER WELT / TIROLER FESTSPIELE ERL / TRISTAN UND ISOLDE

15/07/15 Vor 150 Jahren, am 10. Juni 1865, wurde Richard Wagners „Tristan“ in München uraufgeführt. Nur logisch, dass auch Gustav Kuhn in „seinem“ Festspiel in Erl an dieses Jubiläum erinnert. Er, der solch innige Beziehung zu Wagner hat, tut solches natürlich in Personalunion von Dirigent und Regisseur.

Von Horst Reischenböck

Bei den Münchner Opernfestspielen hat Waltraud Maier jüngst ihre letzte Isolde gesungen. In Bayreuth gibt es zum Tristan-Jubiläumsjahr die Oper selbstverständlich neu (Regie Katharina Wagner, am Pult Christian Thielemann). In Erl, im Passionsspielhaus, pflegt Gustav Kuhn sonst Wagner mit dem Orchester hinter den Protagonisten aufzuführen. Diesmal, im benachbarten Festspielhaus, hat er den Orchestergraben abdecken lassen.

Für die beiden Aufführungen hat Gustav Kuhn die einstige Personenführung – die Aufführung von 2006 ist auf einer col legno-DVD konserviert – lediglich adaptiert. Warum hätte er auch eine einstmals stringent in sich logische Idee ändern sollen?

Dazu bietet ihm beispielsweise die wieder von Ina Reuter sparsam mit ganz wenigen Requisiten gestaltete Szene schon im 1. Aufzug erneut links drei Segel eines Schiffs aus der Entstehungszeit des Ganzen. Rechts stehen Reisekoffer, aus denen Brangäne, optisch an Cosima Wagner gemahnend, das unheilvolle Gift-Kästchen holt. Auch Lenka Radecky hat ihre an Britannien des 19. Jahrhunderts angelehnten Kostüme lediglich überarbeitet: Wenn Tristan aus dem Rumpf auftaucht, in dem auch die Männer des Festspiel-Chors unsichtbar, doch um nichts weniger schlagkräftig singen, ruft auch er durch sein Barett bewusst Assoziationen zum Komponisten selbst hervor. König Marke und Melot sind als Landadelige frisch von der Fuchsjagd gewandet.

Kuhns „Tristan“ ist im Vergleich, nicht nur mit den Extremen von Leonard Bernstein oder Wilhelm Furtwängler, aber auch Herbert von Karajan und Daniel Barenboim der mit Abstand schnellste! Misstraut er allzu breit vertieft ausgespielter Emotion? Mitnichten: Er lässt vollmundig saftig musizieren, prachtvoll, ja geradezu üppig und vor allem auch an entsprechenden Stellen berechtigt sinnlich klingt es aus dem Orchestergraben heraus. Dieser entspricht freilich Bayreuths Vorgabe einer nach oben hin geschlossenen Muschel nur bedingt, was leider oftmals die Worte schwer verständlich macht. Da wäre der Originaltext eingeblendet neben den englischen Übertiteln nicht unangemessen, zumal Libretto-Kenntnis heutzutage nicht vorausgesetzt werden darf und sollte. Den ganzen 1. Akt hindurch und auch bis hin zum grandios differenziert gesungenen Liebesduett konnte von den Titelträgern nur die Qualität ihrer Stimmtimbres genossen werden.

Wie anders das sein hätte können und sollen, offenbarte schlagartig im 2. Akt der Auftritt des auch in Salzburg von den Festspielen her (als Osmin, Leporello, Don Alonso, zuletzt Ochs auf Lerchenau) bekannt profunde Bass Franz Hawlata als gehörnter, dann zu spät verzeihender Marke. Er wird heuer in Erl auch als Fasolt im „Rheingold“ zu erleben sein. Assistiert durch den Tenor Wolfram Wittekind als Melot.

Mit Gianluca Zampieri, dem am Premierenabend im Bariton Michael Mrosek ein agiler Kurwenal zur Seite stand, verströmte sich rechtens ein auch im italienischen Fach sattelfest ausdrucksstarker Titelheld – Wagner selbst war bekanntlich der Typ eines Heldentenors deutscher Prägung noch nicht geläufig, „Tristan“ hätte nach ursprünglicher Vorstellung des Komponisten ein Stück im Stil einer italienischen Oper werden sollen.

Mona Somm beeindruckte als seine Partnerin sowohl in dramatischen Ausbrüchen wie der berührenden Zärtlichkeit ihres Abschieds vom toten Geliebten. Ihren strahlenden Sopran puschte Kuhn dann darin in zwar bravourös gemeisterte, doch eigentlich unnötig höchste Lautstärken hinein. Ihr adäquat zur Seite stand Hermine Haselböck als Dienerin Brangäne, und mit Markus Herzog als Hirt, Seemann Giorgio Valenta sowie Steuermann Frederik Baldus waren, typisch für die Wagner-Aufführungen in Erl, auch die Nebenpartien mehr als bloß achtbar besetzt.

Zweite Aufführung amSamstag (18.7.). „Die Meistersinger“ sind tags darauf (19.7.) angesetzt. ZweiMal dirigiert Gustav Kuhn in Erl den „Ring“, an jeweils vier Tagen ab 23.7. und 30.7. – www.tiroler-festspiele.at
Bilder: Tiroler Festspiele Erl / Xiomara Bender