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Unter einem günstigeren Stern

REST DER WELT / WIENER STAATSOPER / MACBETH

05/10/15 Die Wiener Staatsoper ergänzt mit Giuseppe Verdis Macbeth ihr Repertoire um ein Werk, das seit sechs Jahren nicht mehr auf dem Spielplan stand. Der Star des Abends ist Alain Altinoglu am Pult des Staatsopernorchesters.

Von Oliver Schneider

Jubel am Sonntag (4.10.) nach der Premiere des neuen Macbeth. Das war vor fast sechs Jahren anders, als die letzte, von Vera Nemirova betreute Produktion erstmalig gezeigt wurde. Schon kurz nach Beginn hatten Störrufe die Vorstellung an den Rand des Abbruchs gebracht. Der Buhorkan am Schluss, wie man ihn selten in Wien erlebt hat, schloss den Dirigenten, das Orchester und vor allem die Darstellerin der Lady mit ein. Eine zweite Aufführungsserie fand gar nicht erst statt.

Das Kapitel ist nun endgültig abgeschlossen, denn dank Christian Räth hat das Haus am Ring nun wieder eine akzeptable, repertoiretaugliche Produktion im Fundus. Dem gebürtigen Hamburger und häufig an US-Opernhäusern tätigen Regisseur ist sicher nicht der ganz große Wurf gelungen. Aber an seiner Produktion stört auch nichts.

Durch graue, verschiebbare Wandelemente entstehen unterschiedliche Innenräume, in denen das Drama um die Korrumpierung der Psyche des Herrscherpaars durch die Macht seinen Lauf nimmt (Ausstattung: Gary McCann). Die zeitlose Gültigkeit der Aussagen spiegelt sich im Kostüm-Mix: Kronen und lange Gewänder für das Herrscherpaar, ein uniformiertes Gefolge, das auch in einer modernen Diktatur leben könnte und grauhaarige Hexen in archaischen Kutten, die genauso für die Nornen in Wagners Götterdämmerung passen würden. Marc McCullough und Nina Dunn sorgen für eindrückliche Licht- und Videoeffekte, etwa wenn der ermordete Banquo Macbeth als übergroßer Schatten im Wahn erscheint oder sich im dritten Akt, wenn die Hexen Macbeth ein zweites Mal erscheinen, der Mond vor die Sonne schiebt.

Jedoch reiht Verdi in Macbeth keine Tableaus aneinander, sondern zeigt exemplarisch an Macbeth und seiner Lady, wie das Böse von der Seele eines Menschen Besitz ergreifen kann. Wer ist der Treiber in den Machtspielen? Der Mann oder die Frau? Wie ist das überhaupt mit den männlichen und weiblichen Eigenschaften? Von alledem erzählt Räth bis zur Pause nichts, anschließend (zu) wenig.

Stattdessen wird wie eh und je an der Rampe gesungen oder zur Abwechslung mal im eleganten Boxspring-Bett. Zum Glück verfügt Tatiana Serjan über eine so große Rollenerfahrung, dass sie in der Schlafwandelszene wirklich eine von ihrem Gewissen zu Tode gequälte Frau verkörpern kann. Ebenso eindrücklich scheint George Petean nach ihrem Tod seine männlichen Kräfte zurückzugewinnen, so dass er das nahende Ende als Verblendeter fast bis zum Schluss nicht wahrhaben will.

Das Unverbindliche der Inszenierung wird gleichzeitig ihr großer Vorteil im Repertoirealltag sein, wenn sich Gäste und Ensemblemitglieder ohne großen Probenvorlauf integrieren lassen müssen. In der Premierenserie tritt die Szene ohnehin ins zweite Glied. Der Grund ist Alain Altinoglu, der nach diversen Repertoireaufführungen seine erste Neuproduktion im Haus am Ring leitet und auf der ganzen Linie reüssiert.

Er führt das Staatsopernorchester mit eher langsamen Tempi und der sprachlich abgenutzten „kammermusikalischen Transparenz“ bravourös durch die Partitur der Zweitfassung von 1865 und schenkt damit vermeintlichen Begleitfiguren die gebührende Beachtung. Ohne dass dadurch der natürliche Fluss gebremst oder es an dramatischen Akzenten fehlen würde. So gut disponiert wie die Musikerinnen und Musiker am Premierenabend gespielt haben, hatte man auch das Gefühl, dass sie sich mit dem jungen französischen Dirigenten sehr wohl fühlen.

Verdi wünschte sich für das Protagonistenpaar „raue, erstickte, hohle Stimmen“. Darüber verfügen weder die Hausdebütantin Tatiana Serjan noch George Petean. Die Lady gehört zu den Paraderollen der Serjan, die sie unter anderem 2011 unter Riccardo Muti in Salzburg gesungen hat. Sie meistert die schwierige Partie mühelos sowohl in den dramatischen Passagen mit ihrem dunkel-glühenden, leidenschaftlichen und metallischen Sopran als auch in den Staccato-Koloraturen und schließlich in der Nachtwandelszene vom tiefen bis zum hohen Des. Ähnlich wie 2009 Simon Keenlyside, gibt Petean einen differenzierten, noblen und doch kraftvollen Macbeth und entspricht damit dem sich wandelnden Charakterbild. Glaubwürdig zeichnet er Macbeth am Schluss als einen an Machthunger zerbrochenen Mann, auf den aller Wille zum Herrschen nach dem Tod der ebenso veranlagten Frau übergegangen war.

Der dritte Protagonist des Abends ist der Hexenchor. Die Damen des Staatsopernchors punkten mit gesanglicher Geschlossenheit (Einstudierung: Thomas Lang) und lassen sich dabei auch nicht von den ihnen sinnlos verordneten choreographierten Turnübungen aus dem stimmlichen Konzept bringen. Ferruccio Furlanetto gefällt als Banquo nach wie vor mit seiner geschmeidigen Stimmführung. Die undankbare Rolle des Macduff, der schließlich die Schotten von Macbeth’ Tyrannei befreit, singt Jorge de Léon mit strahlender, aber auch etwas einförmiger Stimme. In der kurzen Partie des neuen Königs Malcolm präsentiert sich Jinxu Xiahou rollendeckend.

Weitere Vorstellungen - 7., 10., 13., 17. und 21. Oktober - www.staatsoper.at - Ö1 überträgt die Produktion live am 10. Oktober um 19 Uhr
Bilder: Staatsoper / Michael Böhm

 

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