Theater-Hackschnitzelkönige

REST DER WELT / GRAZ / DRAMATIKER*INNENFESTIVAL

07/06/16 Vier Tage „Dramatiker*innenfestival Graz“, initiiert von Iris Laufenberg, die damit ihre erste Grazer Spielzeit abschließt: Die Intendantin hat ausgeprägte Neugier für junge Dramatik und sie lugt dabei über den deutschsprachigen Raum hinaus.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Spielzeit eröffnete Iris Laufenberg bereits mit dreizehn in Auftrag gegebenen Kurzstücken vorwiegend junger Autorinnen und Autoren. Die neue Spielzeit soll mit der Uraufführung des Auftragswerks von Thomas Arzt „Die Neigung des Peter Rosegger“ beginnen.

Für das Leseprojekt „Our Stories“ jetzt beim Dramatiker*innenfestival hat sie eine Schreibwerkstatt von Jugendlichen aus Graz, Syrien und Afghanistan, in Zusammenarbeit mit dem syrischen Schriftsteller Mudar Alhaggi und dem Schweizer Dramaturgen und Regisseur Erik Altorfer veranstaltet. Und Iris Laufenberg hat den Blick nach Rumänien, Moldawien, Argentinien und in den Kongo ausgeweitet, etwa mit Jan-Christoph Gockels multinationalem Gastspiel „Coltan-Fieber“ oder „The Spectator Sentenced to Death“ aus dem Nationaltheater Cluj.

Aus dem rumänischen Cluj kommt auch die rührende straßentheatertaugliche Miniatur "Killed by friendly fire", eine Independen Production der Cluj-Napoca Fakultät für Film und Theater: Ein rumänischer Handwerker kehrt aus der Fremde zurück ins Dorf, in der Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufwnd. Ausgerechne dort erliegt er den Verführungen einer gierigen Wirtschaft, die ihn um die Selbständigkeit bringt. Das Zweipersonenstück von Ştefana und Ioan Pop-Curşeu lässt sich mit minimalen Mitteln umsetzen, Volkstheater vom Liebenswürdigsten.

Mitveranstalter des Dramatiker*innenfestivals war das Drama Forum Graz. Darf man da an eine Art neues „Forum Stadtpark“ denken? Jedenfalls hat diese aus einem universitären Kultur- und Sozialverein herausgewachsene Initiative einer Germanistin (Edith Draxl) einen bemerkenswerten Output: Als Lehrende und Mentoren hat man Leute wie Marius von Mayenburg, René Pollesch, Roland Schimmelpfennig, Oliver Bukowski, Thomas Ostermeier geangelt, man vergibt im Zweijahrestakt unter Kursteilnehmern den „Retzhofer Literaturpreis“: Da finden sich seit 2003 Namen wie Gerhild Steinbuch, Ewald Palmetshofer, Ferdinand Schmalz, zuletzt Özlem Özgül Dündar und Miroslava Svolikova.

Unter dem Motto „Grenzüberschreitungen“ bot das Drama Forum an allen vier Festivaltagen eine Art „Wandeltheater“ in einem gründerzeitlichen Abbruchhaus. Da gab's Text-Installationen und Live-Spiel, man war eingeladen zu promenieren, zu goutieren. Und die Autoren waren natürlich selbst da. En passant mitgenommen den "Hackschnitzelkönig" von Ferdinand Schmalz... das hatte schon was.

„Es geht nicht um Geschichten, es geht radikal um Sprache“, sagt die künstlerische Leiterin des Drama Forums Graz, Edith Draxl – eine durchaus zu hinterfragende Ansicht. Aber „es gibt viele Sprachen in der Sprache, welche Art von Deutsch soll man lernen?“

Ein besonders bunter Vogel in dieser Gruppe junger Autorinnen und Autoren im Umkreis des Drama Forum ist Fiston Mwanza Mujila. Der junge Mann aus dem Kongo spricht mit seiner Mutter Suaheli und mit seinem Vater Französisch, und er beherrscht jeweils zwei weitere indigene und europäische Sprachen. Sein Roman „Tram 83“ hat nicht nur in Frankreich Furore gemacht, sondern ist in kurzer Zeit auch in andere Sprachen übersetzt worden. Bei den „Grenzüberschreitungen“ dieser Tage war Fiston Mwanza Mujilas Dramolett „Zur Zeit des Goldrausches“ zu sehen. Drei Freudenmädchen in altmodischen Krinolinen träumen sich zurück in eine Ära, in der richtige Männer möglicherweise eben solche, aber die Zeiten deshalb nicht besser waren.

www.schauspielhaus-graz.com; www.dramaforum.at
Bilder: reactor-cluj.com / UniT / Rappel