Zwischen Venus und Mars

REST DER WELT / DER GELIEBTE ADONIS

09/08/16 Das berühmtem Stadttheater von Grein ist 225 Jahre alt. Demgegenüber sind die Donau-Festwochen auf der Greinburg mit 22 Jahren blutjung. Man begeistert dort heuer mit Reinhard Keisers Oper „Der geliebte Adonis“.

Von Horst Reischenböck

Georg Philipp Telemann, Georg Friedrich Händel und Reinhard Keiser wirkten alle an Hamburgs berühmten Theater am Gänsemarkt. Keiser ist als Opernkomponist heute fast unbekannt. Sein Zeitgenosse Johann Mattheson hat ihn einst als „der größeste Opern-Componist von Welt“ gerühmt, wogegen Händel-Biograf Friedrich Chrysander befand, Keiser sei „in vierzig Jahren weder vor- noch rückgeschritten“.

In der Vergangenheit bereicherten Entdeckungen – Händel mehrfach und Telemann mit einem (auch auf CD zu hören) „Orpheus“ – die von Intendantin Michi Gaigg so bezeichnete „Bühne der Alten Musik mit Kontrapunkten“ in Grein. Heuer gilt der dankenswerte Einsatz Keisers Oper „Der geliebte Adonis“. Der Komponist sprach von einem „Singe=Spiel“, aber der Begriff meint nicht das, was wir heute drunter verstehen: Das Werk kommt ohne gesprochenes Wort aus, hingegen sind die Rezitative auskomponiert. Es ist also eine der ersten „teutschen“ Opern der Musikgeschichte. In vorliegender Gestalt ist es erstmals in Österreich zu hören.

Was täte die Operngeschichte wohl ohne Ovids „Metamorphosen“? Auch Librettist Christian Heinrich Postel bediente sich ihrer. Er wählte die Geschichte von der Liebe der Göttin Venus zum Menschen Adonis, der auf der Jagd durch den Nebenbuhler Mars in Gestalt eines Ebers getötet wird. Aufgelockert wird sie durch die dazu erfundene komische Figur des Gelon, der in der ideenreichen Personenführung von Manuela Kloibmüller clowneske Späße treibt: Tenor Markus Miesenberger, der auch in Salzburg studierte, schießt damit in der Publikumsgunst den Vogel ab. Er beweist nicht nur gesanglich und auf der Violine piccolo Fähigkeiten, sondern auch als Jongleur und animiert zu spontanem Lachen.

Was aber wäre das Ganze ohne Keisers geniale Musik, die aus Minimalbesetzung von Streichern, Cembalo, Laute bzw. Barockgitarre und einem Holzbläserquartett apart einfühlsames Kolorit schlägt. Etwa im Dialog von Konzertmeisterin Boyana Maynalovska mit der Fagottistin Anne Suse Enßle, oder den von Gelon apostrophiert Orgelklängen seitens vierer Blockflöten. Darunter Carin van Heerden, Gründerin des L'Orfeo Barockorchesters mit Michi Gaigg, die das nun hier debütierende Euridice Barockorchester der Anton Bruckner Privatuniversität Linz unter Erich Traxlers ambitionierter Leitung coacht.

Keisers Da-capo-Arien sind noch kurz, dafür finden sich in dem Werk für die Entstehungszeit (1697) erstaunlich frühe Arie à 3 und à 4 – also Terzett und sogar Quartet: Ideale Möglichkeit zu vokaler Entfaltung mithin für die Sopranistin Anna Willerdings als jugendlich kecke Eumene, Sopran-Kollegin Maelize Gerber als Dryante mit im Eifersuchtsausbruch geläufig virtuosen Koloraturen oder für Michael Wagner als Mars, dessen Rache-Arie von harten Streicherakzenten ausgemalt wird. Berührend ist Ulrich Cordes Lamento des Philistus nach Adonis' Tod, dem die Mezzosopranistin Maria Weiss im Duett mit Venus alias Maria Weber einfühlsame Züge vermittelte.

Sie alle stehen auf der von Isabella Reder so wie ihre Kostüme schlicht und praktikabel gestalteten Bühne inmitten des prachtvollen Renaissance-Innenhofs der Greinburg: ein stimmungsvoll belebendes Ambiente, im Besitz der Herzöge Sachsen-Coburg und Gotha, das sie hoffentlich noch lange als Schauplatz zur Verfügung stellen. Die Premiere wurde lang anhaltend bejubelt, im Bewusstsein wohl, das Heben eines Schatzes miterlebt zu haben.

Weitere Aufführungen am 12., 13. und 14. August, jeweils um 18 Uhr in der Greinburg – www.donau-festwochen.at
Bilder: Donau-Festwochen / Reinhard Winkler