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Infantile Kopfgeburten der Leistengegend

SOMMERSZENE / HOT BODIES

18/06/18 Eine wesentliche Motivation genderbewegter Menschen wird die narzisstische Auseinandersetzung mit sich und dem Triebmittel sexuellen Verlangens sein. Besondere Spannungselemente können freigesetzt werden, wenn das Triebmittel auch noch in der Gesellschaft provokativ wirksam ist. Gérald Kurdian präsentierte zum Abschluss der Sommerszene mit „Hot Bodies“ vor allem seinen eigenen Body und das, was aus ihm hervorgeht.

Von Erhard Petzel

Nun sind transsexuelle Inszenierung und die androgyne Wirkung der Counterstimme heute Teil des Mainstreams geworden und entwickeln eine andere Qualität von Wirksamkeit, als sich beispielsweise noch Klaus Nomi (der Countertenor der Popmusik 1944-1983) versichert sein konnte. Gérald Kurdian investiert für seine Revue am Samstag (16.6.) im Republic auch nicht mehr in aufwendige Fantasiekostüme.

Eine knackig-schwarze Kurzlacklederhose, entsprechendes Schuhwerk und Käppi, etwas Glitter auf Bein- und Brusthaar, das ist das Grundkostüm. Je nach Rollenbedarf gibt es einige wenige Zusatztextilien. Das technische Equipment wirkt fordernd für die One-Man-Show, wenn auch im Wesentlichen nur eine Loopstation sowie Laptop und Beamer zu bedienen sind. Das ist dann aufwendig, wenn man die Veranstaltung als Musik-Kabarett-Auftritt fasst. Kurdians multimediale Interaktion wirkt – wie der Gesamteindruck, den die Show vermittelt – unentschlossen ob des Verhältnisses von Aufwand und Wirkung einerseits und Chaos und Stringenz andrerseits.

Intellektuell blödelt sich die Rahmenerzählung über ein Graffiti zu einer dritten Geschlechtlichkeit ein. Die Erzählerfigur begibt sich auf die Suche nach dem/der Fucko. Der Weg führt über eine Sexparty in einem Waisenhaus zu den Schwestern, wobei Gott und die Welt Schwester ist. Die Bilder bestätigen eine romantische Grundlinie der Belebtheit der Natur, wobei es zur sexuellen Überhöhung derselben kommt. Menschliche Körper, Naturelemente oder Gebilde mit organischer Wirkung werden aufeinander bezogen und in erotischen bis phallischen Kontext gebracht. Dabei dürfte Kurdian selbst einen wesentlichen Anteil an Bildmaterial geliefert haben als Exegese haarig-männlicher Nacktheit.

Wesentlicher als der Erzählrahmen wirken die diffizilen Gesangsnummern. Hier punktet Kurdian mit einer beeindruckend wandlungsfähigen Stimme, mit der Frauenparts selbstverständlich und natürlich über die „Rampe“ kommen. Eine solche freilich gibt es nicht. Stattdessen umgibt ihn das Publikum wie auf einem öffentlichen Platz oder in der Schulbibliothek, auf Podien sitzend und davor auf Kissen am Boden (wehe dem, der über Sechzig) hockend. So funktioniert auch die mitunter eingenommene Pose als erotischer Wohlfühl-Guru. Rosa Plastilin-Kugeln im Publikumsbereich führen zu einem kleinen Interaktions-Ritual, wenn einer hereingerollten Topfpflanze als Schwester gehuldigt wird und bei ihr die nach Handschmeichler-Manier gebrauchten und vielfach geformten Objekte als Opfergaben abgelegt werden.

Sympathisch an Kurdian sind Ironie und Verspieltheit. Kein bleierner Ernst beschwert die erotomanischen Botschaften. Wie auf Youtube erscheinen seine Lyrics zu infantilen Kopfgeburten der Leistengegend (eine animierte Manga-Klitoris bereitet den Plastilin-Kugel-Einsatz vor). Technische Probleme bei der Draufgabe (zwei Bildschirme kommentieren die Idee Regenbogenparade, wozu Kurdian Stummfilmmusik klimpert) verdeutlichen vielleicht abschließend, wo bei diesem Künstler Entwicklungsbedarf eingemahnt werden könnte. Man wünscht ihm mehr dramaturgische Gesetztheit. Da diese meist mit den Jahren ohnehin kommt, vergönnt man ihm und seinem ästimierten Publikum die fabelhafte Lust am erotischen Spiel auf den Weltbrettern.

Bild: Sommerszene / Gérald Kurdian

 

 

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