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Ein Abbild des Konzertbetriebs

SOMMERAKADEMIE MOZARTEUM / PREISTRÄGER-KONZERT

29/08/11 Brillante junge Musikerinnen und Musiker. Dialogisches Musizieren. Selbstdarstellung mit wenig mehr Substanz, als extrem flinken Fingern. Drei Südkoreaner unter neun Auserwählten. Beglückende Augenblicke voll Musikalität und Spannung: Interessant, so ein Preisträgerkonzert der Sommerakademie im Rahmen der Festspiele.

Von Heidemarie Klabacher

Perlende Läufe, elektrisierende Triller, musikantische Phrasierung... Man fängt noch an, reine Virtuosenmusik zu lieben, wenn sie so musikantisch beseelt gespielt wird, wie die „Wieniawski-Variationen“ vom Geiger Aylen Pritchin. Ganz besonders auffallend: Der 24 Russe hat dieses virtuose Feuerwerk zusammen mit seinem Partner am Klavier - Evgeny Sinayskiy - gezündet. Die enormen technischen Schwierigkeiten des Geigenparts hat Aylen Pritchin bravourös wie im Spiel genommen. Der Klavierpart ist technisch tatsächlich eher eine Begleitung. Dennoch hat Aylen Pritchin aus der Vorlage zur geigerischen Selbstdarstellung dialogisch beredte Kammermusik gemacht.

Ganz anders die 22jährige Soo-Hyun Park, die ihrer Begleiterin Maria Szwajger-Kulakowska nach der „Carmen-Fantasie nach Bizet“ von einem Herrn Waxman nicht einmal gedankt hat. Was die junge Geigerin ihrem Publikum wohl mitteilen wollte, außer dass sie sehr schnell - wenn auch intonatorisch keineswegs immer ganz sauber - Geige spielen kann? Der musikalische Gehalt eines Virtuosenstücks „nach XX“ mag von vorneherein gering sein, anhand einer Carmen-Blütenlese ließe sich aber wohl wenigstens eine Geschichte erzählen. Eine solche ist beim geigerischen Kurzstreckenlauf Soo-Hyun Parks auf der Strecke geblieben. Was wohl ihr Ziel als Musikerin ist?

Zwei einigermaßen gleichaltrige Geiger, zwei Stücke, zwei Leistungen, die man immerhin vergleichen kann.

Nicht so leicht ist das im Falle der beiden Sängerinnen in der Preisträger-Riege: Die 29 jährige Österreicherin Anna Manske, die bei Albert Hartinger am Mozarteum studiert hatte, überzeugte mit der Arie „Parto, parto“ aus Mozarts „Titus“: Mit sicherem Stimmsitz hat die Mezzosopranistin perfekt phrasierte Linien sicher über alle Lagen geführt - bis hin zu den exakt gestalteten Koloraturen gegen Schluss der Arie. Sie hat es darüber hinaus sogar geschafft, mit ihrer souveränen Präsenz ein wenig die Atmosphäre der Oper heraufzubeschwören.

Immerhin zehn Jahre älter ist die Italienische Sopranistin Marianna Prizzon. Sie hat mit der dramatischen Arie „Come Scoglio“ aus Mozarts „Così“, trotz einiger Intonationsprobleme und einigen kleinen Unsicherheiten im Lagenausgleich, mit den großen Gesten einer Primadonna eine solide Leistung geboten. Aber müsste für eine Künstlerin/einen Künstler Jahrgang 1972 eine Karriere nicht schon längst laufen? Anders gefragt: 256 Teilnehmer hatte die „95. Internationale Sommerakademie der Universität Mozarteum“ in den Gesangs-Klassen, dazu noch dreißig in den Lied-Klassen. Kamen keine weiteren „Jungen“ als Preisträger auch nur in Frage?

Bei 447 Teilnehmern in den Klavierklassen konnte die Jury aus dem Vollen schöpfen.

Der 22jährige Südkoreaner Da Sol Kim legte mit „Aprés une lecture du Dante“ aus Franz Liszts „Années de pèlerinage“ eine ebenso überzeugende wie überwältigende Performance zwischen hämmernder Expressivität und transzendentem Zauber hin. Er hat die sich aufbauenden und wieder in sich zurücksinkenden Spannungsbögen mit differenziert im Klang und präzise im Anschlag nachgezeichnet: nicht nur eine „Kraft-Ausdauer-Leistung“ sondern gestaltendes Musizieren.

Technisch nicht weniger überzeugend, wenngleich mit Tendenz zum Verschwimmenlassen des Klangs in den mittleren Registern: So fegte die 28jährgie Japanerin Anna Kurasawa durch Saint-Saens’ „Danse Macabre“ in der Bearbeitung Liszt/Horowitz. Wie sie den unheimlichen Glockenton vom Beginn in den ersten Sturmangriff auf den Blocksberg überleitete - das spricht für solide Technik. Warum nur muss sich so eine Künstlerin noch während des Schlussakkordes durch einen Blick ins Publikum vergewissern, dass es eh allen gefallen hat?

Wer rät eigentlich den jungen Leuten, halbseidene „Bearbeitungen“ zu spielen, wo es doch genug Originalmusik - auch virtuose - gibt?

Der 26jährige Russe Miroslaw Kultyshev jedenfalls spielte originalen Chopin: Er dachte bei der Barcarolle Fis-Dur op. 60 vielleicht weniger an eine Gondel, als an einen kleineren Panzerkreuzer, legte eine technisch aber eine so überzeugende Leistung hin, dass man über die Lautstärke wohl hinweg-sehen, wenn schon nicht-hören konnte.

Bleiben zwei Solitäre.

Die 26jährige Geigerin Solenne Paidassi verzauberte - nicht weniger - mit zwei Sätzen aus der Sonate für Violine und Klavier von Caesar Franck, vor allem mit dem Allegretto, das aus dem Spätsommerabend einen Frühlingsmorgen machte. Solenne Paidassi gebietet über einen ebenso kräftigen wie brillant und klangfarbenreichen Geigenton und ein sicheres Gespür für aufregend phrasierte Melodieverläufe. Auch hier herrschte - und nicht nur, weil die Gattung es erfordert - souveränes dialogisches Musizieren mit dem Klavierpartner, ebenfalls mit dem hervorragenden Evgeny Sinayskiy.

Der jüngste Preisträger ist der erst 17jährige Südkoreaner Hyeonjun Jo. Er könnte vermutlich ebenfalls einige der Teufelstänze für Klavier aus den Fingern schütteln, hat sich aber für Messiaen entschieden, für „Le Merle Bleu“ aus dem „Catalogue d’oiseaux“. Hyeonjun Jo, der am liebsten zeitgenössische Klaviermusik spielt, hat die unendlich vielfältigen Klangfarben und vielschichtigen Emotionen ausgeleuchtet und zum Leuchten gebracht.

 

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