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Vom Ende eines Gewaltmenschen

FESTSPIELE / JEDERMANN

22/07/12 Zum elften und letzten Mal wird in diesem Festspielsommer Christian Stückls „Jedermann“-Inszenierung gespielt. Der Regisseur bedankte sich nach der Premiere, die am Samstag (21.7.) wegen Regens im Großen Festspielhaus stattfinden musste, bei allen, die ihm in den zehn Jahren seiner Tätigkeit geholfen haben. Nächstes Jahr muss jemand anderer übernehmen.

Von Werner Thuswaldner

Nachdem es nicht gelungen war, Botho Strauß und Peter Handke dazu zu bewegen, einen neuen Text zu schreiben, holte der damalige Verantwortliche für das Schauspiel, Jürgen Flimm, Christian Stückl nach Salzburg. Von Stückl, dem Regisseur der Oberammergauer Passionsspiele, war bekannt, dass er mit religiösen Stoffen in zeitgemäßer Form umgehen konnte. Und was er dann mit Hofmannsthals „Jedermann“ machte, sah ja wirklich danach aus, als gelänge es, dem seltsam gestelzten und vor lauter Tradition erstarrten Stück Leben einzuhauchen.

Stückl brachte eine Gruppe von Kindern aus dem oberbayerischen Riedering mit, die als Vorspiel zum „Jedermann“ eine deftige, komisch wirkende Laienversion darbietet. Auf diese Weise stellte der Regisseur „Volksnähe“ her. Die Kinder sind älter geworden. Mittlerweile ist wohl schon die dritte Generation am Werk.

Stückl hat seine Inszenierung Jahr für Jahr geändert. Dies nicht, weil es sonst langweilig geworden wäre, sondern weil er mit dieser problematischen Erlösungsgeschichte seine Schwierigkeiten hatte. Bis zuletzt bemühte er sich um mehr Glaubwürdigkeit. Bis zuletzt ist es ihm nicht gelungen. Die Art, wie der böse Jedermann am Schluss schnell, schnell fit gemacht wird für den Himmel, das lässt sich einem Publikum von heute nicht vermitteln.

Was hat Stückl nicht alles unternommen, um den „Jedermann“ aufzumöbeln! Er ließ den lieben Gott, der sich bei Hofmannsthal nur als Stimme mitteilt, persönlich auftreten, und zwar als eine Art armen Rabbi, der sich bettelnd unter die Leute mischt und prompt verkannt wird. Jedermanns Begleiter, den Guten Gesell, machte er recht einleuchtend zu einem Doppelgänger des Teufels, der am Schluss die Seele des reichen Mannes fordert. Stückl ging aber noch viel weiter. Er eliminierte die personifizierte Figur des Glaubens und nahm immer radikalere, teils völlig widersinnige Textumverteilungen, Striche und Neueinfügungen vor. Seit ein paar Sommern erscheint Hofmannsthals „Jedermann“ sogar angereichert durch eine Szene aus Goethes „Faust“. Es half aber alles nichts. Zwar bietet der Regisseur nun in der letzten Version sogar Gott (Martin Reinke) persönlich am Schluss auf, um Jedermanns plötzliche Konversion zu beglaubigen, aber wie aus diesem Wüstling im Handumdrehen ein Frömmler wird, bleibt dennoch unverständlich.

Stückl hatte von Anfang an Glück mit der Besetzung. Peter Simonischek war ein idealer Jedermann und Veronica Ferres als Buhlschaft eine wahre Granate. Das ist inzwischen anderes, Nicholas Ofczarek wütet als Brutalist durch das Stück, und die Buhlschaft Birgit Minichmayrs lässt sich mit dieser Jedermann kaum ein. Jedermanns Mutter (Elisabeth Rath), die behauptet, mit einem Fuß im Grab zu stehen, entwickelt bei weitem mehr Temperament als diese angeblich glühende Liebhaberin.

Überraschend viel Komik verbreitet die Figur der Guten Werke. Sie soll veranschaulichen, wie wenig Jedermann in seiner Lebensbilanz an Wohltaten vorzuweisen hat. Stets wurden die Guten Werke in diversen Inszenierungen als hinfällige, sieche Frau gezeigt. Nicht so bei Stückl. Lina Beckmann springt von Sockel einer Statue und hüpft munter umher. Vom Ungemach dieser Figur scheint nur ein permanenter Juckreiz übrig geblieben zu sein.

Übrigens: Nichaolas Ofczarek hat angekündigt, dass er im nächsten Jahr in der Neuinszenierung nicht dabei sein werde.

Bilder: SF / Hermann und Clärchen Baus (1); Luigi Caputo (2)

 

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