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Jüdische Spiritualität

FESTSPIELE / ISRAEL PHILHARMONIC / ZUBIN MEHTA

25/07/12 „Ein simpler Dreiklang ist ebenso banal wie er ein Fenster zu Gott sein kann“, so Noam Sheriff. „Das hängt von der Inspiration des Komponisten ab. Und der größte Spiritualist von allen war Bach. Dort, wo alle Musiker eigentlich hinwollen, sitzt Bach und lächelt gemütlich.“

Von Gottfried Franz Kasparek

Sheriff, dessen Name nichts mit amerikanischen Ordnungshütern zu tun hat, sondern russisch-jüdischen Ursprungs ist, ist einer der führenden Komponisten und Dirigenten Israels. 1955 hat er dieselbe Dirigierklasse von Igor Markevitch im Salzburger Mozarteum besucht wie Daniel Barenboim. Später studierte der auch als Philosoph graduierte Musiker in Berlin bei Boris Blacher, was man seinem rhythmischen und prägnanten Stil ein wenig anmerkt.

Seine Symphonie für Soli, Chöre und Orchester „Mechaye Hametim“ (Die Wiederbelebung der Toten), uraufgeführt 1987 in Amsterdam, stand im Zentrum des Konzerts von Israel Philharmonic unter Zubin Mehta im Rahmen der „Ouverture spirituelle“. Erstmals erklang Musik von Noam Sheriff in Salzburg. Der 77jährige nahm die „standing ovations“ des begeisterten Publikums in der Felsenreitschule freudig und gerührt entgegen.

Das dreiteilige Werk thematisiert, auf hebräische und jiddische Texte, die tragische Geschichte des jüdischen Volkes, die Zeit vor, während und nach dem Holocaust. „Simple“ Dreiklänge scheut Sheriff ebenso wenig wie romantische Kantilenen, vor allem in den tiefen Streichern. Effektvoll verbindet er in seiner Musiksprache die gemäßigte westliche Avantgarde mit alter Synagogenmusik und Klezmer-Anklängen. Zum riesigen Orchester mit viel Schlagwerk kommen ein ebenso voluminöser Männer- und ein Kinderchor. „The Collegiate Chorale“ aus New York und der „Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor“, einstudiert von James Bagwell und Wolfgang Götz, boten Stimmglanz und Energie. Dass dabei die kostbare Kantorenstimme von Carl Hieger und der immer noch edle Bariton von Thomas Hampson mitunter Gefahr liefen, in den von Zubin Mehta effektsicher aufgetürmten Klangmassen unterzugehen, musste man in Kauf nehmen. Mit Ferntrompeten und Fernposaunen beeindruckte das hymnische Halleluja-Finale. Der berührendste Moment war jedoch, als am Ende der Holocaust-Sequenz die Kinder nach jiddischer Volksweise vom Feuerchen in der heißen Stube sangen und ein Cellosolo gleichsam versickerte.

Dieselben Kollektive und dazu Hampson als inbrünstiger Sprecher – in seiner englischen Muttersprache – hatten zu Beginn des Konzerts Arnold Schönbergs „Kol Nidre“ zur denkwürdigen Aufführung gebracht. So originell konnte Schönberg also anno 1938 noch tonal komponieren, so meisterhaft ausgewogen in jedem Takt ist sein einziges jüdisch-liturgisches Werk.

Thomas Hampson, erstmals seit einem Schubert-Liszt-Liederabend 2007 wieder in Salzburg, sang und rezitierte an diesem Abend gleich in vier Sprachen. Gustav Mahlers „Kindertotenlieder“ haben mit jüdischer Spiritualität so gut wie nichts zu tun, passten aber in ihrer verhaltenen Traurigkeit wunderbar zwischen die klanglichen Eruptionen der beiden Chorwerke. Der Bariton ist ein Mahler-Interpret höchsten Grades, in den tieferen Lagen strömt die Stimme oft wahrhaft balsamisch, in der Höhe findet er zu kunstvoller Ausdruckskraft. Mehta zeichnete die Transparenz der Partitur mit dem in allen Bereichen hochkarätigen Orchester gefühlvoll nach.

Hörfunkübertragung in Ö1: Fr, 3.8., 19.30 Uhr
Bilder: Salzburger Festspiele Archiv (1); http://www.noamsheriff.com;SF / Dario Acosta (1)

 

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