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Triumph des Gesanges

FESTSPIELE / VERDI-REQUIEM / DANIEL BARENBOIM

02/09/12 Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ bei den Salzburger Festspielen – unweigerlich denkt man da an Karajans Sternstunden. Daniel Barenboim und sein Ensemble durften am Samstag (1.9.) im Großen Festspielhaus stehende Ovationen entgegennehmen.

Von Gottfried Franz Kasparek

Freilich, das Orchestra del Teatro alla Scala ist vor allem ein versiertes Opernorchester und diese „Oper für den lieben Gott“, an den Verdi nur eingeschränkt glaubte, ist eben doch ein Oratorium für den Konzertsaal, welches das Idiom seines Komponisten nicht verleugnen kann und will. Das Orchester ist gut trainiert und macht mit sympathischer Italianitá meist vergessen, dass man die Instrumentationskünste des alten Verdi feiner schattiert und klanglich eleganter präsentieren könnte. Vor allem die Blechbläser, im Dies irae auch vom Rang herab, machen gewaltigen Eindruck. Auch der von Bruno Casoni sicher liebevoll einstudierte, gut aufgestellte Scala-Chor hat seine Stärken in den machtvollen Ausbrüchen und sonoren Lagen.

Maestro Barenboim betont die Brüche und Kanten des Stücks, womit er Recht hat, denn in dieser leidenschaftlichen Bekenntnismusik über die letzten Dinge und über die Unausweichlichkeit des Todes brechen bereits die Abgründe der Moderne auf. Harte Kontraste zwischen sehr laut und sehr leise, diffizile Tempo-Dramaturgie und freier Umgang mit fugierten Abschnitten beweisen es. Manchmal gerät das illustre Solistenquartett zwar dank der impulsiven Freskomalerei Barenboims an die Grenzen des Unhörbaren, aber der direkten Wirkung dieser über allen religiösen Dogmen stehenden Totenmesse kann man sich in dieser theatralischen Interpretation nicht entziehen.

Zumal Barenboim denn doch genügend Raum lässt für die belcantesken, die ariosen Abschnitte. Anja Harteros, welcher der dramatische Schluss gehört, hatte schon vorher mit oft leuchtend schwebenden Piani verzaubert. Ein lyrisch-dramatischer Qualitätssopran, wie er im Buche steht, mit schlagkräftiger Höhe und interessant abgedunkelter Mittellage. Das „Libera me“ machte sie auch gestalterisch zum Erlebnis. El?na Garan?a verströmte sich in prachtvollen Mezzotönen, ohne auf feine Nuancen zu vergessen und traf den Stil ebenso gut wie ihre Partner.

Ein komplett „unitalienisches“, deutsch-lettisches Gesangsquartett hat es beim Verdi-Requiem wohl noch nicht sehr oft gegeben. Unitalienisch allerdings nur, was die Herkunft betrifft. Jonas Kaufmanns leicht gaumiges Timbre mag Geschmackssache sein, seinem Höhenstrahl muss man verfallen. Außerdem artikuliert er hervorragend, verfügt über blendende Pianokultur und beweist in jedem Ton, der er singt, dass ein Tenor auch heutzutage eine unverwechselbar eigene Persönlichkeit sein kann. René Pape, unvergesslich als jüngster Sarastro der Festspielgeschichte anno 1990, mittlerweile zum wahren Bassgranden gereift, kann sein edles Organ kraftvoll dröhnen lassen, aber auch bis zum eindringlichen Flüsterton zurücknehmen. Alle vier Stimmen harmonieren noch dazu bei aller Unterschiedlichkeit hervorragend, gerade die Kontraste zwischen den beiden Damen erfreuen. So war diese Aufführung von Verdis Jahrhundertwerk vor allem ein Triumph des Gesanges.

Bilder: SF / Wolfgang Lienbacher

 

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