asdf
 

Finanz-Krise mit Donner und Blitz

LANDESTHEATER / DIE FLEDERMAUS

24/09/12 Untersuchungsausschuss spielt keiner mit. Dafür eine EU-Kommission, ein dubioser Geldgeber und sein Eventmanager. Gefängniswärter Frosch baumelt - nach dem Crash - am Rettungsschirm: Topaktuell und turbulent ist Andreas Gergens Neuinszenierung der „Fledermaus“.

Von Heidemarie Klabacher

Von der Wiener Gesellschaft in die internationale Finanzwelt verlegt Andreas Gergen „Die „Fledermaus“. Den Doktor Falke, vor drei Jahren von seinem Freund Eisenstein volltrunken und im Fledermauskostüm vor dem Europäischen Parlament in Strassburg deponiert, hat der peinliche Ausrutscher die EU-Karriere gekostet. Falke ist jetzt Eventmanager und inszeniert für den arabischen Scheich Orl Ofsky das Spektakel „Die Rache einer Fledermaus“.

Das Fest, auf dem Gabriel von Eisenstein bloßgestellt und gegenüber seiner Gemahlin Rosalinde der Untreue überführt werden soll, findet im Privatjet auf einem Kurztrip nach Dubai statt. Das Logo der Airline: Eine Fledermaus. In diesem Zeichen finden die gesellschaftlichen und aeronautischen Turbulenzen zur Polka „Donner und Blitz“ statt. Das Ballett gibt die Stewardessen (mit authentischen Schleier-Käppi) und Stewards und besticht mit einer hinreißend komischen Pantomime über die Sicherheitsvorschriften an Bord. Irgendwann fallen die Atemmasken herunter, Fallschirme werden verteilt – und die versprengte Gesellschaft findet sich auf dem Boden unter dem Parthenon in Athen – oder doch unter dem Parlament in Wien? – wieder zusammen.

Das alles ist mit Liebe zum komischen Detail erdacht und unterhaltsam auf die Bühne von Court Watson - mit aufgeschnittenem Flugzeug – gebracht. Jeder Besucher wird ein anderes Detail finden und lieben; so etwa die Rezensentin die Spielereien mit der Beleuchtungs-Fernbedienung im ersten Akt, wo der liebestoll gewordene Tenor Alfred seine Ex-Schülerin Rosalinde, jetzt die Gattin Gabriel von Eisensteins, umgarnt.

In Summe jedoch betrachtet man das bunte Treiben dennoch ziemlich distanziert. Andreas Gergen hat weder eine simple „volkstümliche“ Fledermaus zur reinen Unterhaltung geschaffen, noch eine „intellektuelle“, etwa zur Aufdeckung der gesellschaftlichen Abgründe, die die Fledermaus mit ihren wunderschönen Melodien ja eigentlich birgt. Die EU- und Finanzkrisen-Anspielungen in den großteils neuen Dialogen (aber keine Angst: Kernsätze, wie etwa über Olga und Ida, „die warn noch nie da“ sind erhalten geblieben) haben durchaus Witz. Aber eben nur „durchaus“. Schockieren? Auf jeder Wirtschaftseite steht Schockierenderes.

Szenisch fällt der Befund also mit „eh witzig“ und „wirklich gute Ideen“ zurückhaltend aus. Und musikalisch-sängerisch? Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Leo Hussain brilliert mit feinem, ja geradezu kammermusikalisch transparentem Orchesterklang. Jedes der unendlich vielen Musikidiome, die Johann Strauß Sohn (das Programmheft verzichtet irritierenderweise durchgängig auf das scharfe „ß“) vom Walzer bis zum Csardas zitiert, bekommt charakteristische Farbe. Dennoch scheint Hussain immer wieder Tempo und Agogik forcieren zu wollen – was aber nicht immer zu mehr „Drive“ führt, sondern die Musik gelegentlich atemlos wirken lässt.

Gesungen wird in dieser Fledermaus in allen Rollen ganz hervorragend. Höchstens die Textverständlichkeit lässt da und dort zu wünschen. Simon Schnorr gibt einen souveränen Gabriel von Eisenstein, Netta Or ist seine resolute Gemahlin Rosalinde, die erst in der Maske der Ungarischen Gräfin die Grenzen der Konvention überschreitet. Man ist überhaupt, bei allem event-organisiertem Willen zur Unterhaltung, ein wenig steif in dieser Gesellschaft.

Unbändige Spiellust spürt man nur bei Franz Supper, der Rosalindes draufgängerischen Verehrer Alfred mit naiver Dreistigkeit spielt und mit lustvoll übertriebener Heldentenorhaltung singt. Katharina Bergrath ist das Stubenmädchen – pardon: die Haushaltshilfe - der Eisensteins: Wendig und geschmeidig führt sie ihren klaren Sopran bruchlos über alle Lagen, setzt sie jeder Koloratur neckisch glänzende Schnörksel auf. Tobias Scharfenberger als Dr. Falke, Landestheaterchor-Mitglied Philipp Schausberger als Dr. Blind, Einar Gudmundsson als Gefängnisdirektor Frank, Tamara Gura als – stimmlich untadeliger, darstellerisch blasser - Scheich Orl Ofsky, Nicole Viola Hinz als Ida: Sie alle tragen zum sängerischen überzeugenden Gesamteindruck bei.

Bleibt der lang dienende Frosch des Landestheaters: Werner Friedl. Hut ab, wie er da am Fallschirm baumelnd von oben herab auf das Publikum herunter palavert. Der grandiose Volks- und Erzschauspieler weiß sogar die mäßig witzigen Griechenland-Anspielungen dieser Textfassung mit wie Nestroy’sche Pfeilspitzen über die Rampe zu bringen.

Aufführungen bis 24. Jänner 2013 - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT/Martin Baumann/Asher Smith


 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014