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Schwebende Konzentration, konzentriertes Schweben

FESTSPIELE / SIMÓN BOLÍVAR SYMPHONY ORCHESTRA / DUDAMEL

31/07/13 Zwei Stunden gespanntes Zuhören und zugleich schwereloses Schweben: Im der Reihe der Gesamtaufführung aller Mahler-Symphonien dirigierte am Dienstag (30.7.) Gustavo Dudamel die monumentale „Dritte“.

Von Heidemarie Klabacher

Seinem Ruf als „Knaller“, „Berserker“ und „Wilder ohne Maschie’“ wird Gustavo Dudamel schon lange nicht mehr gerecht. Welch’ bewegendes Mahler-Erlebnis war erst vor wenigen Tagen die „Achte“ - die „Symphonie der Tausend“, deren grad’ nicht ganz tausend Ausführende er im Großen Festspielhaus zugleich mitreißend anzustacheln und zugleich präzise zu kontrollieren wusste – mit dem Ergebnis einer transparenten mitreißenden Wiedergabe.

Ähnlich nun der Befund nach der „Dritten“: Die Symphonie Nr. 3 d-Moll hat nicht ganz so viele Ausführende und kommt mit nur einen Damen- und einen Kinderchor, sowie einer Solistin aus. Dafür dauert allein der erste Satz gut vierzig Minuten und das Gesamtwerk nicht ganz zwei Stunden.

Und das waren zwei Stunden reinen Vergnügens. Die unendlich vielgestaltige „Erste Abteilung“ mit ihren unzähligen Kondukten, Märschen, Jahrmarktsmusiken, Fanfaren, Chorälen und Elegien zelebrierte Dudamel als Rundbild menschlicher Emotion, und er ließ jedem einzelnen Motivteil Zeit und Ruhe zur Entfaltung. Immer wieder schien dabei etwa der Klang der großen Trommel aus dem Nichts einer großen Atempause heraufzukommen, und mit ruhiger Autorität Platz vor dem nächsten Bild zu schaffen. Da es ja nicht selten beklemmende beunruhigende oder zumindest aufwühlende musikalische Bilder sind, erinnerte das ganze nicht selten an irgendwelche bizarren Höllenbilder von Bosch – wäre da nicht jene ironische Distanz, die Mahler bei aller Emotion nie verliert. Man atmete jedenfalls richtig auf, als die Kleine Trommel von Ferne dem wilden Treiben Einhalt gebot, und man noch einmal zurückschauen konnte, auf den Tumult des ersten Satzes.

Fulminant, wie in allen Orchester-Generationen des „Sistema“ sind auch im „Simón Bolívar Symphonie Orchestra“ die Bläser. Den Streichern, besonders den ersten Violinen, fehlt es trotz der Riesenbesetzung an einer gewissen Strahl- und Durchschlagskraft. Das hohe Geigengeflirre etwa, das Mahler so oft verlangt, will nicht so recht glitzern. Das alles fällt aber nur in den „wilden“ Passagen auf, in denen die Bläserriegen die hohen und mittleren Streicher einfach zudecken. Im ruhigen zweiten Satz überzeugten auch die Streicher mit samtiger Fülle.

Der dritte Satz, die Orchesterfassung des Kuckucksliedes, war ein bizarres Erlebnis mit Kuckucksrufen wild wie Eselschreien. Dudamel hat das mit Witz und Tempo interpretiert. Die mehrmalige elegische Unterbrechung des schrägen Zirkuses, das wundersam schön geblasene „Posthorn“ aus der Ferne, wird zu den bleibenden Erinnerungen dieses Festspielsommers gehören, soviel steht jetzt schon fest. „Überirdisch“ ist das Wort, besonders im Dialog des Posthorns mit dem Choral der Tuttihörner. Und überirdisch fein zelebriert war auch der Übergang zum dritten Satz, zu Zarathustras Mitternachtslied, das die Mezzosopranistin Anna Larsson mit großer Ruhe und weit gespannter Kantilene sang. Dem Chorsatz „Es sungen drei Engel“ fehlte ein wenig der Text, der Klang war schön, der Tumult der Engel mitreißend.

In den letzten Satz – „Langsam. Ruhevoll. Empfunden“ – lud Dudamel sein Publikum ein, sich einfach hineinfallen zu lassen in ein sanftes, ruhiges Schweben – und dann sich mitreißen zu lassen, hinauf in welche Himmel auch immer: ein Höhenflug jedenfalls.

Bild: SFS/Richard Reinsdorf/Adam Latham

 

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