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Müllerin mit Forelle als Nachtisch

FESTSPIELE / LIEDERMATINEE SCHADE, BUCHBINDER

26/08/13 „Das Wandern ist des Müllers Lust“: Da ist schon jede Textnuance ausgehorcht und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gedeutet. Das Psychogramm des Müllerburschen ist festgestellt ist, bevor dieses sich im Drama offenbart.

Von Erhard Petzel

237Unerschöpflich sind die Kraft menschlicher Kreativität und die Fähigkeit zu veränderter Wahrnehmung. Immer wieder gibt es Facetten also auch dort auszuloten, wo man glaubt, vieles schon gehört und manches erschöpfend gekannt zu haben. Wenn ein Tenor im Zenit seiner Karriere – Michael Schade – und ein lebenserfahrener Begleiter – Rudolf Buchbinder – sich einen Klassiker vornehmen, rücken sie den auch entsprechend zurecht.

Als großer dramatischer Bogen ist der Zyklus strikt angelegt, pausenlos und ohne zu stocken weiterschreitend. Dafür greift Michael Schade in der Bewegung auch etwas weiter aus als sonst am Liedpodium üblich.

Klavier und Stimme zwingen sich zur äußersten agogischen Bandbreite. Ist der Schreckmoment zur 3. Strophe in der „Danksagung an den Bach“ für den Hörer kalkuliert oder federt das Instrument den exzessiven Ausdruckswillen der Stimme ab? Beide nehmen sich im 6. Lied („Der Neugierige“) bis zur Formulierung „O Bächlein meiner Liebe“ extrem zurück. Wie schon in Haydns Schöpfung ziseliert Schade jede Bewegung und jeden Wortinhalt aus. Wenn der Spruch des Meisters und des Mädchens Gutenacht-Wunsch so extrem aufeinanderfolgen, steht Ausdruck über Schöngesang.

238Die Wut auf den Jäger schlägt um in pure Verzweiflung über seine Rolle als Kinderkumpan. Das neue Sternlein wird zur Vision des am Leben Versagenden. Im Verlass auf seine Stimme modelliert Schade die Dramaturgie des Zyklus überwiegend im Piano, fallweise bis an die Grenze der Hörbarkeit. Dadurch funktioniert „Des Baches Wiegenlied“ als weitere Projektion der Psyche des Burschen, auch weil Schade ziemlich distanzlos um das die Augen deckende Tüchlein schluchzt.

So, wie dieser Zyklus hier dargestellt wird, sollte man sich der Wurzeln des Liedgesangs auch als gesellschaftliches Rollenspiel erinnern und Verantwortung von denen einfordern, die durch ihren Eintritt quasi im Drama mitspielen. Die Fermate zwischen lieber und böser Farbe ist dem Rhythmuswechsel der Lieder geschuldet. Die Chance zur Hust-Orgie ist offensichtlich zu verlockend, aber extrem enervierend. Aber müssen etliche beim Pianissimo wirklich im Programmheft umblättern, muss der Wutausbruch, unter dem der Mai gekommen ist, wirklich mit Grunzen und Husten beantwortet werden? Ein Publikum, das sich so verhält, (zer)stört ein Gesamtkunstwerk, das aus der Spannkraft der gestaltenden Künstler ersteht. Das kann auch eine fleckige Biedermeier-Bühne nicht ganz ausgleichen oder noch so viele begeisterte Bravos, die den beiden Musensöhnen jenen von Schubert als Draufgabe entlockten, außerdem eine kesse Forelle. So sehr sich die Künstler im Konzert forderten, so seelenvereint nahmen sie die Huldigungen entgegen.

Bilder: SFS / Harald Hoffmann (1); Marco Borggreve (1)

 

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