Tenorales Leuchten rund um Liebesleid und -freud

FESTSPIELE / JUAN DIEGO FLÓREZ

01/09/13 Juan Diego Flórez brillierte bei seinem Festspielliederabend mit strahlenden Spitzentönen und gestaltete das bunte Bouquet aus Arien und Canzonen empfindsam und feinsinnig in emotional vielschichtigem Ausdrucksspektrum.

Von Elisabeth Aumiller

271Juan Diego Flórez' Tenor ist unverwechselbar, sehr persönlich im Timbre und technisch optimal geführt. Seine Spitzentöne sind sensationell in ihrer Brillanz und Leichtigkeit, mit der sie ansprechen. Aber am Donnerstag (29.8.) im Haus für Mozart zeigte sich auch die Entwicklung und Reifung des Sängers: Er bot  alle Facetten an  feinen dynamischen Schattierungen sowie an emotionaler Auslotung des Wortgehalts und der musikalischen Aussage. Seine  Piani waren ebenso betörend wie seine metallisch blitzende Höhenbravour. Breit gefächert war der Ausdruck für unterschiedlicher Liebesempfindungen. Dabei formte die Stimme elegante Belcantolinien in feiner Phrasierung,

Die ausgewählten Stücke waren teilweise Repertoireaußenseiter, die Flórez jedoch zu wahren Köstlichkeiten der Sangeskunst formte. Der sizilianische Komponist Stefano Donaudy etwa ist kaum bekannt. Seine drei „Arien im Alten Stil“ sind schlichte Liebesweisen, einmal wehmütig klagend, dann voller komischer Koketterie und  wieder voll verzehrender Sehnsucht.  In zwei Arien aus Georg Friedrich Händels weltlichem Oratorium „Semele“ tritt Jupiter als Liebeströster auf : „I must with speed amuse her“ , womit Flórez sein Publikum so recht amüsierte mit Koloraturen und barockem Glanz.

In  der Romanze des Raoul  aus „Les Huguenots“ von Giacomo Meyerbeer besang Flórez voll charmanten Zaubers den  „schönen Engel, die Königin der Liebe und die himmlische Schönheit“. Als Gaston aus Verdis „Jérusalem“ brachte der Tenor die stimmliche Expansion  des Opernsängers zum Aufblühen und träumte voll sehnsüchtiger Hoffnung: „O schöner Engel, meine Geliebte, ich möchte dich noch einmal wiedersehen“.

270In Francesco Paolo Tostis Liedern finden sich populäre „Tenorschlager“ ebenso wie weniger bekannte Raritäten, die Flórez geschmackvoll zu eleganten Kabinettstücken machte. „Von dir gefangen, träumte ich lange beim Klang deiner Stimme“ ließ er gefühlig zart im Lied  „Ideale“  tönen, um dann strahlend  „eine neue Morgenröte“ prunkend aufleuchten zu lassen. „Vorrei morire“, ich möchte sterben, sang er berührend mit Trauer in Herz und Stimme. Und im englisch vertonten „Parted“ betete er voller Inbrunst die Geliebte an. Selten hört man L'alba separa dalla luce l'ombra“ , wobei die Morgenröte effektvoll die Dunkelheit vom Licht trennt und Flórez bravourös „aus meinem flüchtigen Traum die ew'ge Sonne“ erstehen ließ.

Spanisch ging es zu bei Pablo Luna, Jacinto Guerrero und José Serrano. Da war Florez idiomatisch natürlich in seinem Element. In der Jota „Te quiero morena“ überraschte er erneut mit so differenzierter Gestaltung und Klangfinesse, wie man sie selten bei diesem populären Zarzuela-Tanz hört. Tieftraurig im Inhalt, aber stimmlich ausdrucksvoll brillierend endete das offizielle Programm mit Donizettis großer Arie des Roberto aus „Roberto Devereux“ „Come uno spirto angelico“: So groß ist der Schmerz über den Verlust der geliebten Frau, dass man „im Himmel vor Kummer weinen wird“.

Vincenzo Scalera war der in allen Stilen versierte Begleiter am Klavier, der vielseitig  klangdifferent mitgestaltete, führend wie nachgebend, und auch mit virtuoser  Geläufigkeit punktete.

Mit Standing ovations erklatschten die Zuhörer eine Zugabe nach der anderen. Sechs an der Zahl sind in Erinnerung geblieben: „M'appari“ aus Flotows „Martha“, „Pourquoi me réveiller“ aus Massenets „Werther“, ein peruanisches Volkslied, ein französisches Villanelle, die Bravournummer „Pour mon ame“ aus Donizettis „La fille du regiment“ mit den berühmten neun hohen C und eine unvergleichliche „La donna é mobile“ aus Rigoletto.

Bilder: dpk-E.Aumiller