Sind Feinde wirklich Feinde?

DIALOGE / KLEVER DANCE COMPANY

28/11/19 Da ist Tanztheater quasi in seinem ureigensten Metier: Beziehungen zwischen Menschen und Menschengruppen aufzudröseln, die sich nicht auf den ersten Augenschein erschließen: Die Uraufführung der Produktion Framework der Klever Dance Company bei den Dialogen in der SZENE Salzburg.

Von Reinhard Kriechbaum

Bei den heuer so beispielhaft-vielfältigen Dialogen gab es also auch Tanztheater, und das in seiner wortwörtlichen Bedeutung. In kleinen (englischsprachigen) Sprechszenen wird das Setting vorgestellt, aber schon in diesem marginal abgesteckten Rahmen – die simple Übersetzung des Stücktitels Framework – wird bald klar, dass ein hier scheinbar gezogener Rahmen nur unzulänglich das umfasst, was da wirklich läuft.

Haben wir es mit einem klassischen Fall von Stockholm-Syndrom zu tun? Das ist jenes psychologische Phänomen, bei dem das Opfer einer Geiselnahme zu seinen Entführern ein emotionales Verhältnis aufbaut, mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert. Das allein wäre ja schon ein lohnendes Thema für eine Tanzproduktion.

Der in Finnland aufgewachsene, längst international tätige Kristian Lever hat im Herbst in Salzburg die Choreographie für die Landestheater-Produktion der Oper Oberon geschaffen. Für die Uraufführung am Mittwoch (27.11.) bei den Dialogen, eine Koproduktion mit AXIS Danza Udine (wo auch die Proben stattfanden) und in Zusammenarbeit mit SZENE Salzburg, hat er sechs fulminante Tänzer zu einem einprägsamen Kollektiv geformt.

Klever Dance Company ist ja sozusagen nur eine Dachmarke für wechselnde Besetzungen und Künstler-Konstellationen. Das an diesem Abend Gezeigte gehört tanztechnisch und im unmittelbaren Ausdruck wohl mit zum Besten und Intensivsten, auch im Vergleich mit den diversen Tanz- und Performancefestivals, die hier stattfinden. Carolina Mancuso war, wie andere auch dieser Sechsergruppe, Mitglied des Nederlands Dans Theater. Sie ist das Entführungsopfer, das anfangs sichtlich panisch agiert, sich dann aber verdächtig leicht hineinziehen lässt in die Gruppe ihrer Bedränger, die sie dazu gar nicht lange drängen müssen (aber das ist jetzt sehr vereinfacht gesagt). Die Situation verändert zunehmend auch die Personenverhältnisse in der Gruppe zueinander. Spannende individuelle Geschichten lassen sich da eahnen oder hinein erklären.

Die Tanzsprache von Kristian Lever lebt von der Spannung kantig ausgreifender, beinah manieristischer Arm- und Körperhaltungen, die aber ganz logisch in fließende Bewegungen überführt werden. Ganz wunderbar, wie die Tänzer Ketten bilden, die sich zu geschlossenen Kreisen schließen, aus denen Einzelne ausbrechen, wieder eingefangen werden. Auch das Spiel mit Schatten (echten und imaginierten) hat seinen Platz. Zwei erzählerisch und im Ausdruck dichte, im tänzerischen Stil schlüssige und konsequente Stunden.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher