Uncle Sam: Mehr als Coke und Finanzkrise

LANDESTHEATER / DIE PASSION DES JONATHAN WADE

17/05/10 Die Intendanz Maldeghem hat mit einem musikthetaralen Paukenschlag ihre erste Saison beendet: Carlisle Floyds Oper „Die Passion des Jonathan Wade“ erlebte am Sonntag (16.5.) ihre Europäische Erstaufführung im Salzburger Landestheater.

Von Erhard Petzel

altEs gibt mehrere Gründe, zu dieser Werkwahl zu gratulieren. Erstens zerrt man ein respektables Werk vor den europäischen Vorhang gezerrt. Zweitens hat man sich mit einer amerikanischen Oper der Aufgabe gestellt, ein veritables Bildungsdefizit hierorts auszuarbeiten. Und drittens werden Inhalte lanciert, die nicht nur für die US-amerikanische Geschichte von Bedeutung sind. Die USA haben inzwischen ihren schwarzen Präsidenten, während wir vor ausufernder Xenophobie es nicht einmal schaffen, Menschen wenigstens als dringend gebrauchte Arbeitskräfte zu verstehen, sobald sie etwas dunkler, nicht frei von Akzent oder Muslim sind.

Im Zentrum des vom Komponisten selbst erstellten Librettos steht ein Oberst als Lichtfigur. Jonathan Wade, glaubhaft verkörpert durch Hubert Wild, wird vom Sezessionskrieg als Befehlshaber der siegreichen Nordstaaten-Armee in die Stadt Columbia geschwemmt und ist dort als oberstes Exekutivorgan für Ruhe und Ordnung zuständig. Vom Krieg und seiner sinnentleerten Grausamkeit gezeichnet, strebt er als unbedingter Pazifist nach Ausgleich. Dabei gerät er in die Zwickmühle der radikalen Parteien, personifiziert altin den Figuren des jungen Südstaatlers Lucas Wardlaw und Enoch Pratt, einem politischen Emporkömmling der radikalen Partei. Während der eine ein Leben ohne praktische und angenehme Sklaven nicht hinnehmen will, drückt der andere ohne das geringste Verständnis in diktatorischer Siegermanier Verordnungen und Gesetze durch.

Erstes und prominentes Opfer dieser Siegerpolitik ist der Richter Townsend (Marcell Bakonyi), der den Eid auf die neue Verfassung nicht ablegt. Er wird nicht nur abberufen und durch einen Schwarzen ersetzt, sondern in seiner Existenz vernichtet. Für Wade der große Konfliktpunkt, hat er doch des Richters Tochter Celia geheiratet, die sich gegen den Vater für ihn entschieden hat. Er will dem persönlichen Dilemma durch Desertion entgehen und wird im letzten Moment vor seiner Flucht erschossen. Celias große Schlussanklage gegen die beiden altParteien erinnert an das Finale von West-Side-Story, das da auch Pate gestanden haben könnte. Musikalisch trennen diese beiden Werke allerdings Welten.

1962 auf der New York City Opera uraufgeführt, trifft Floyds Oper nicht nur thematisch den Nerv ihrer Zeit, da die schwarze Bürgerrechtsbewegung so richtig im Anrollen war, sie steht auch musikalisch in einer Reihe mit den Zeitgenossen. Im Wechsel von rezitativischer Transparenz zu dramatischer Wucht des riesigen Orchesterapparats ist man durchaus an Tonsprache und Dramaturgie eines Benjamin Britten erinnert. Die homogene, bedrückende Grundstimmung wird fallweise genial konterkariert, beispielsweise im Quartett der schwarzen Boys zur Begegnung Wades mit einem verletzten Soldaten oder in der berührenden Eheschließungs-Szene, wenn das schwarze Hausmädchen Nicey einen Gospelhintergrund aufbaut, ein Höhepunkt für die Sängerin Jeniece Goldbourne.

altDie Salzburger Aufführung darf für sich verbuchen, das Werk mit einer runden und in sich geschlossenen Ensemble-Leistung bewältigt zu haben. Hans Dieter Schaals Bühnenbild ist beeindruckend, funktionell und flexibel, schafft im Handumdrehen große Räume und kann durch seine Lattenkonstruktion auch bedrohte Räume und paranoide Enge vermitteln. Arila Siegerts Inszenierung bemüht sich um das Bewusstsein von Theater, was etwas schade ist. Dort, wo Wort und Musik sprechen, brauchte es nicht unbedingt Operngesten, geschobene Sofas oder Zerfetztes und Umgeworfenes. Dafür hätte so manche Personenzeichnung etwas konturierter ausfallen dürfen, etwa jene des Lucas Wardlaw, dem Eric Fennell eher eine wehleidige Schlagseite gibt. Marie-Luise Strandts Kostüme zitieren teils die Zeit und sind zeitlos dort, wo eingespart werden kann (z.B. für Julianne Borgs Celia). Das Sängerensemble überzeugt im Kampf um die Durchsetzung gegen den Orchesterapparat unter Adrian Kelly. Auch ein pantomimischer Genius fehlt nicht, Jonathans ermordeter Bruder findet mit Marco Stahel zu seiner Bühnenpräsenz.

Die weiteren Aufführungen: 18. und 21. Mai, 2. und 9. Juni. - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Landestheater / Christian Schneider