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Wenn sich große Kunst ganz klein macht

WINTERFEST / WAKOUWA TEATRO

28/12/21 Das ganze Leben in und ein ganzer Zirkus aus einem Koffer: Mag ersteres eine pathetische Behauptung sein, trifft letzteres unumschränkt zu. Das Schweiter Clown-Duo Wakouwa Teatro mit dem Programm Very Little Circus im Zelt.

Von Erhard Petzel

Gerardo Tetilla als Kofferkuli hat Naïma Bärlocher im Genick sitzen, die eine Melodie stereotyp vor sich hinlallt und dazu die Ukulele schlägt. Nachdem die beiden endlich die Richtung zum Publikum gefunden haben, regiert erst mal Slapstick, zur quiekenden Freude der Jüngsten. Früher, so erfahren wir, haben die beiden im ganz großen Zirkus eine bedeutende Rolle. Irgendwer war dort schließlich für die Tierkacke zuständig...

In dieser Phase überwiegt Maulakrobatik, jeder Vorgang wird vokal gemimt, jede Emotion erheblich outriert. Nachdem sich das Gauklerpaar darauf verständigt hat, dass ein kleiner Zirkus ohnehin besser ist, must the show go on. Der große rote Koffer stellt kein Risiko für die große Welt dar, sondern enthält einen kleinen mit mattweiß schimmernden Ballwelten, die zu Ukulele und Kazoo im Walzertakt nicht nur schunkeln, sondern auch melodisch quietschen können. Naja, fast meolodisch. Es entwickelt sich ein musikalischer Parforceritt in Jonglierkunst mit bis zu fünf Bällen. Damit fliegen Gecko (= Gerardo Tetilla) die Herzen des Publikums zu, so dass ein Kind aus dem Publikum begeistert die Interaktion aufnimmt.

Die Partnerin ist kurz mal weg, denn die muss angeblich auf V.I.P. (very important pissness). Der Ruf nach Eleganz zieht sich als roter Faden durch die Vorstellung. Hier wird sie Ereignis im testosterontischen Elfenballett zum eingespielten Donauwalzer, nachdem eine Perücke zur Krause und schließlich zum Tutu mutierte. Die parodistische Grazie wird zum virtuosen Ereignis, wenn ein Diabolo als choreografisches Ereignis mittanzt. Von seiner Glanzleistung kaum beeindruckt, kehrt sie von ihrer vorgeblichen Sitzung zurück, total angetan von der mitgeführten Entdeckung: ein Wischmopp. Zur ordinären Blasmusikeinspielung ersteht eine abartige Steckenpferd-Parade.

Des ganzen Geblödels überdrüssig, blödelt Gecko mit Keulen zu den Klängen der Ukulele weiter. Dabei baut sich atemberaubende Akrobatik auf. Nach zugeworfener vierter Keule muss es nochmals weitergehen, sechs Keulen sollen alles in den Schatten stellen und das große Finale einleiten. Dies geschieht auf so überraschende wie poetische Weise. Sie hängt ihm wieder im Nacken, spielt die Ukulele hinter ihrem Rücken, während er die sechs Keulen abwechselnd von den angehockten Beinen rollen lässt. Wer sagt, dass Keulen-Jonglage unbedingt in der Luft sein muss? Am Anfang war der Koffer, am Ende auch. Mit gepacktem Koffer geht es zurück zum Ausgangspunkt als Endpunkt aller Weisheit.

Das Duo Wakouwa Teatro dröselt in seinem sehr kleinen Zirkus auf, worauf die Verbindung von clownesker Akrobatik und akrobatischer Clownerie fußt. Nicht allein körperliche Virtuosität ist gefragt, vielmehr geht es um eine gut angelegte Entwicklung einer abstrakten Dramaturgie und vor allem um das kompetente Spiel mit der Zeit. Wenn diese Elemente stimmen, ist das Publikum ein gleichsam animierter Körper. Da braucht es nicht erst einen Einsatz, dass ein ganzes Zelt inbrünstig das Lalala-Lied mitsingt. So sind es oft die kleinen Dinge, die Groß und Klein große Freude bereiten, während große Kunst besonders wirksam wird, wo sie sich klein macht. Darin liegt die Größe des kleinen Zirkus.

„Very little Circus“ des Wakouba Teatro, bis 8. Jänner im Volksgarten – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Andreas Kolarik

 

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