Kuscheldecke erwünscht

ARGEkultur / DREI TAGE WACH

22/02/23 Der Titel ist beim Wort zu nehmen: Drei Tage wach bleiben will das Theater der Mitte. Das Publikum darf zwischendurch heim und schlafen gehen, kann aber auch jederzeit im Matratzen-Lager der ARGE ruhen. Die Performance selbst wird durchgehend gestreamt: „Kein Leistungsabfall bleibt dem Blick der Öffentlichkeit verborgen.“

Von Heidemarie Klabacher

Drei große Themen – Leistung, Überwachung und Erschöpfung – sollen abgehandelt, die Mitwirkenden an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht werden. Das Publikum schaut zu. Sonst lässt „man“ sich ja nur allzu willig selber dabei zuschauen, wie man trainiert, sich selbst optimiert, dabei möglichst gestylt aus der Funktionswäsche schaut, und natürlich Big Brother haufenweise Gesundheitsdaten liefert... Diesmal darf man also anderen bei solch absurdem Tun zuschauen. Man darf, ja soll, sich fragen „Warum tun sie das“. Das Publikum darf sich auf's Matrazenlager im Großen Saal der ARGE hauen, wenn's zu mühsam wird. Oder auf's eigene Sofa, wenn man via Stream dabei ist. „In entspannter Atmosphäre befragen, vertiefen und kommentieren wir die Performance im Studio mit Lektüre, Diskurs, Film und Musik“, heißt es beinah ein wenig boshaft in der Einladung der ARGEkultur. Die 53stündige Produktion Drei Tage wach ist die Eröffnung von OPEN MIND FREQUENTLY. So heißt das aufgelöste und neuerdings über die gesamte Saion verteilte ehemalige Diskurs-Festival im November.

Die „durational performance“ verwendet Erschöpfung als „performatives Mittel“. Eigentlich witzig, weil wenn ein normaler Mensch erschöpft ist, neigt er nicht so zum Performen. Anders, wenn Künstler sich bis zur Erschöpfung in Szene setzen: Anna Adensamer, Benjamin Blaikner und Remo Rauscher haben das im Sinn und „unterwerfen sich freiwillig einer Struktur, die sie selbst geschaffen haben und nicht mehr aufgeben oder stoppen können“, so die ARGE. „Die zunehmende Erschöpfung durch den permanenten Schlafentzug zersetzt die künstlerische Arbeit bis zur körperlich und geistig ermüdenden Unkenntlichkeit.“ (Das schaffen aber auch ausgeschlafene Theaterleute, Anm.)

Drei Tage wach sei jedenfalls „radikales Experiment wie scharfer Kommentar“ zu gesellschaftlichem Leistungsdruck und dauerhafter Selbst-Optimierung und Selbst-Überwachung. Und Big Brother spielt tatsächlich mit: „Im Dialog mit einem manipulativen Sprachcomputer und intelligenten Applikationen versuchen sie eine digitale Maschine (ihr Universum) am Leben zu erhalten.“

So wie die ARGE das beschreibt, klingt es richtig einladend: „Während sich das Theater der Mitte dem Themenkomplex aus Leistung, Überwachung und Erschöpfung geradezu körperlich aussetzt und dabei an Grenzen geht, legen wir uns erstmal hin.“ Im Saal warte eine Landschaft aus Matratzen, ein Ort der Ruhe, der seine Besucherinnen dennoch in in Ruhe lasse: „In entspannter Atmosphäre befragen, vertiefen und kommentieren wir die Performance im Studio mit Lektüre, Diskurs, Film (Mobilisierung der Träume) und Musik.“ Die Autorin Anja Bachl wird die Tage begleiten. Fragen, die im Raum stehen werden: Was ist Leistung? Was bewegt uns dazu, Leistung zu erbringen? Wie hängen Leistung, Kapitalismus und Prekariat zusammen? Welche Rolle spielen dabei Selbst-Überwachung, das Tracken von Leistungsdaten und der Optimierungsgedanke? Welche gesellschaftlichen Gruppen erschöpft der Zwang zur Leistung besonders und welche Auswege gibt es, die aus dieser Erschöpfung herausführen könnten?

„Das Ticket gilt automatisch für alles, was im Saal passiert“, so die ARGE. Das kann vielerlei sein zwischen Film, Yoga, Talk, Essen oder Musik. „Wer mit uns durch dick und dünn gehen und an allen drei Tagen dabei sein will, holt sich am besten ein Drei-Tages-Ticket. Ein Kommen und Gehen ist jederzeit möglich, ein Besuch im Studio bei den Performerinnen natürlich erwünscht.“ Wer seine eigene Kuscheldecke mitbringt, bekommt einen Gratis-Drink.

Drei Tage wach – am Freitag (24.2.) von 16 bis 22 Uhr. Am Samstag (25.2.) von 10 bis 22 Uhr. Und am Sonntag (26.2.) von 10 bis 21 Uhr – www.argekultur.at
Bilder: ARGEkultur / Stills aus dem Film Mobilisierung der Träume - www.youtube.com