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Aus Franz Lehárs Abfallkorb

LANDESTHEATER / DES KAISERS NEUE WALZER

05/03/23 Selbstverständlich darf man sie parodieren, die in bestimmten, oft universitären Kreisen noch herrschende Ideologie der strengen Avantgarde. Aber man muss es können. Alma Deutscher, die hochgejubelte „Jungkomponistin“, scheitert mit ihrer neuen Oper Des Kaisers neue Walzer an der erschreckenden Naivität des Librettos und an ihrer eigenen Kunstfertigkeit.

Von Gottfried Franz Kasparek

Das Libretto, von Nina Schneider, der Komponistin und ihrem Vater Guy Deutscher ganz nach alter Theatersitte zusammengebastelt, lässt keine Klischees aus. Da gibt es einen eitlen Komponisten und Rektor einer Musikuniversität, Sir Anthony Swindelle, der im elitären Club der seriellen Schule festsitzt. Da man irgendwo ja auch seine Sinneslust befriedigen muss, lebt er diese mit der ihn anhimmelnden Musikwissenschaftlerin Theodora Meadows aus, will aber doch lieber die millionenschwere, musikalisch hochbegabte Leonie heiraten, die Tochter eines Sponsors und Kleiderhauskönigs namens Kaiser. Frau Meadows wiederum umgarnt den Mode-Kaiser – alles miteinander entpuppt sich als ein Komplott des Avantgarde-Paars, um Geld zu machen.

Der Swindelle-Schwindel (Nestroy schau oba!) fliegt auf, denn erstens baggert der Möchtegern-Don Juan allzu öffentlich seine hübsche Lieblingsschülerin Elisabeth an, der er für erotische Dienste das Vizerektorat verspricht, und zweitens entwickelt sich zwischen Leonie und dem als Liedermacher begabten, jungen Gärtner Jonas eine wahre Liebe, die im Finale den Sieg davon trägt.

Bedenklich an der Sache ist, dass dem „gesunden Volksempfinden“ dabei eine Schlüsselrolle zukommt. Da Leonie in einer musikalischen Traumwelt zwischen Mozart und Wiener Walzer lebt und ihr Geliebter im Pop daheim ist, ergibt sich auch eine Versöhnung zwischen „E“- und „U“-Musik. Hauptsache ist schließlich die von Alma Deutscher so geliebte Melodie.

Schade, dass ihr keine wirklich eingängige Melodie glücken will. Sie bedient sich heftig bei ihren Vorbildern. Mozarts herrlich freche Klaviersonate KV 210 hat Leitmotiv-Funktion, wie auch der spätromantisch prunkvolle Kaiserwalzer des Johann Strauss Sohn. Wenn in einem Nobelrestaurant ein schlecht betreuter Gastrokritiker sich unversehens in den rächenden Komtur aus Don Giovannis Höllenfahrt verwandelt, wirkt das zwar komisch, verkleinert aber die mystische Größe des Originals. Die dissonanten Kakophonien, die Sir Swindelle und seinen „neuen“ Walzer für den Herrn Kaiser charakterisieren, lassen jegliche Ironie vermissen.

Wenn der nunmehr 18jährigen Komponistin selber etwas einfällt, dann klingt es so, als hätte sie in Franz Lehárs Abfallkorb gerührt. Überhaupt wirkt das Ganze, trotz allerlei achtbarem Kunstgewerbe wie einer neunstimmigen Fuge im Restaurant und rechtschaffen ehrgeiziger Instrumentierung, wie eine nicht wirklich geglückte, überladene und mit fast dreieinhalb Stunden zu lange Operette. Da sich die Handlung irgendwo zwischen Le nozze di Figaro und Wiener Blut abspielt, ist auch das angeblich „Zeitgemäße“ zu hinterfragen. Ist es im Westen noch denkbar, dass ein gestrenger Vater seiner Tochter das Musikstudium verbietet und dass diese sich als Mann verkleiden muss, um an der Uni Dirigieren zu studieren?

Es handelt sich um ein hybrides Stück mit Sprechszenen, Melodramen, Arien, Duetten und durchkomponierten Szenen, noch dazu kontrastiert der als Typ und Darsteller exzellente Musicalsänger Thomas Wegscheider als Jonas mit dem Rest des mit Opernstimmen ausgestatteten Ensembles und insbesondere mit der liebenswerten und quirligen Sopran-Soubrette Julia Sturzlbaum als Leonie. Also müssen alle Mitwirkenden ihre Gesichter mit Mikroports verunzieren, darunter gestandene Opernleute. Der väterlich arglose Bassist Per Bach Nissen als Herr Kaiser, die stimmlich mit schönen Timbre hervorstechende, mit Verve und langbeiniger Komik agierende Anne-Fleur Werner als Frau Dr. Meadows, George Humphreys als übergriffiger Kavaliersbariton und sich selbst zur Ikone stilisierender Künstler-Rektor

Bethany Yeaman als überaus sympathische Elisabeth und das mit Hazel McBain und Alexander Hüttner trefflich besetzte, flinke Buffo-Paar aus der Werbeabteilung des Modekonzerns machen die schräge Sache mit natürlichem Spiel und Humor erträglich. Im Finale tritt Yevhenyi Kapitula als Oberkellner und typischer Dritter-Akt-Komiker bestens in Erscheinung, stets umgeben von einer noblen Kellnerschar. Philipp Schöllhorn ist der stimmgewaltige Komtur im Gourmettempel, Katrin Heles die passende TV-Kommentatorin in der Show, in welcher am Ende der Ersatzwalzer und die Bösewichter untergehen und die Guten gewinnen.

Das Argument, durch dezente Verstärkung würde sich die Verständlichkeit des Textes verbessern, erweist sich oft als Täuschung. Frau Deutscher meint, die Frauenstimmen hätten Probleme, in der Mittellage hörbar zu sein. Pardon, die Lösung wäre neben gutem Sprachcoaching eine entsprechend transparente Instrumentierung, wie sie zum Beispiel bei Mozart, Lehár und Britten studiert werden kann. Die Verstärkung macht die Stimmen leider mitunter blechern. Der Popsänger könnte übrigens durchaus ein Operntenor oder Bariton sein. Wie so was funktioniert, hat schon Wagner mit dem Stolzing und erst recht Friedrich Cerha mit Baal bewiesen.

Das Mozarteumorchester und der Landestheaterchor, schwungvoll und kompetent geleitet von Katharina Wincor, holen das bestmögliche aus der eklektischen Partitur. Christina Piegger hat bildkräftig und glaubwürdige Personen formend inszeniert. Für die bunte Ausstattung auf der Drehbühne mit phantasievollem, modernem Design und allerlei Spiegelungen und Videos zeichnen Laura Malmberg und Paul Sturminger verantwortlich. Das anwesende Fan-Publikum jubelte lauthals nach fast jeder Nummer und am Ende mit schriller Begeisterung. Dazwischen waren eher konsternierte und verärgerte Mienen zu bemerken.

Aufführungen bis 12. Mai – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: SLT / Tobias Witzgall

 

 

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