Schwarz und schwer ist mein Gefühl

ASPEKTE / STABAT MATER FURIOSA

08/03/24 Eine Oper wie bestellt am Vorabend des Internationalen Frauentags: Stabat Mater, aber eben nicht demütig leidend – dolorosa – sondern trotzig aufbegehrend – furiosa. Die trotzige Stimme der Frau gegen die Kriegsmaschinerie der Männer: Uraufführung der Oper von Hossam Mahmoud beim Aspekte-Festival.

Von Reinhard Kriechbaum

„Ich bin die, die sich weigert zu verstehen“, ist der erste Satz, und damit ist der Inhalt abgesteckt. Der Krieg ist nicht zu akzeptieren in seiner vermeintlich zwingenden Männer-Logik. „Ich schleudere mein gewaltiges Gebet dem Leben ins Gesicht“, singt/spricht die Mater furiosa, die uns in dieser Oper – einem Auftragswerk der Aspekte – mit der Anmutung einer Figur aus einem Antikendrama entgegen kommt. Zu der einen Sängerin (Jenifer Lary) auf der Bühne kommen drei weitere Frauen, Sprecherinnen. Sie sind zur singenden Hauptdarstellerin wie Scheinwerfer und Schatten zugleich, bilden so etwas wie ein hör- und sichtbares Relief, das noch weitere Licht- und Schatteneffekte bekommt durch ein Frauen-Vokalquartett im Orchestergraben. Eine raffinierte auratische Klangverbindung zwischen Bühne und Kammerorchester.

Eine (An)Klage, ein Aufschrei also aus weiblicher Sicht an eine gemeinhin auf Männer-Augenhöhe gelegte Perspektive. Die Frauen müssen im Krieg erleben, wie ihre Brüder zu Mördern werden und finden sich unfreiwillig hineingezogen als „Schwestern der Niederträchtigkeit“. Sie träumen von einer guten, heilen Welt und geben sich so trügerischen wie fragilen Illusionen hin, „aber man tötet und tötet immer noch“. Es hat Thrill, wenn die Frauen „den Lärm der Schritte im Krieg“ näher kommen hören und „das wutschnaubende Gehuste der Waffen“ vernehmen.

Dieser Text, von Christian Ollivier nach dem Theatermonolog von Jean-Pierre Siméon (1997) eingerichtet, macht gerade angesichts des Kriegs im Gazastreifen nicht wenig Gänsehaut. „Schwarz und schwer ist mein Gefühl.“ Das weibliche Aufbegehren „hat das Gewicht des Beils“. Ein Aufbegehren, das „wie der Wasserfall den Felsen durch Zorn versteht“. Das Poetische kommt so griffig wie plakativ daher, aber das schadet gerade einem Opern-Libretto nicht. Die Musik von Hossam Mahmoud setzt auch keineswegs eins drauf, sie „illustriert“ nicht, sie knallt und knattert nicht.

Der Komponist hat die Kurz-Episode zum Formprinzip gemacht. Immer und immer wieder Generalpausen, die auch dem Hörer ein Durchatmen erlauben. Ein Gedanke, ein Satz – oft sind's nur wenige Takte, in denen die Instrumente in einem von den Solobläsern dominierten, immer durchsichtig gehaltenem Spaltklang den Ausdruck überhöhen und nachklingen lassen.

Kai Röhrig hat das vom Dirigentenpult aus gut im Griff, er hält gediegen das Gleichgewicht zwischen dem Gesang, dem Gesprochenem und dem Instrumentalsatz. Einnehmend an der Partitur ist, wie oft der Klang der Rohrblattinstrumente über das ins Orchester integrierte Frauenquartett gleichsam als Brücke hinüberfließt in den Part der Sängerin. Da vernimmt man kleine Bravourstücke der Instrumentationskunst.

Rosamund Gilmore ist die Regisseurin und Bühnenbildnerin. Sie setzt das Stück in einen schwarzen Bühnenraum, der auratisch beleuchtet wird und mächtig Licht-Effekt macht, gerade wenn aus einer der drei auf Stelen postierten schwarzen Schalen Rauch aufsteigt. Die vier Protagonistinnen tragen ockerfarbene bodenlange Kleider. Die drei Schauspielerinnen (es sind Absolventinnen vom Thomas-Bernhard-Instituts am Mozarteum) stehen vor den Stelen. Eine knetet Brotteig, eine ist fürs Feuer zuständig, die dritte taucht ihre Hände in Wasser. Das vermittelt unmittelbar, dass es die Frauen sind, die für die elementaren Dinge des (Über)Lebens Sorge tragen. Ihnen darf man den Zorn, der einmal als „unerbittlich bleiern“ bechrieben wird, wohl zugestehen. Es wird, müssen wir vermuten, nicht die letzte Frauenklage angesichts all der Kriegshandlungen auf der Welt gewesen sein. Wichtig trotzten ein jedes Aufbegehren: „Nun ist mein zorniges Gebet im Dunkel des Abends verstreut“, heißt es zuletzt, hineingerufen in den nun erhellten Zuschauerraum des Max-Schlereth-Saals der Universität Mozarteum, der bei der Uraufführung am Donnerstag (7.3.) erfreulich gut besucht war.

Wiederholung am Samstag (9.3.) um 19 Uhr im Max-Schlereth-Saal der Universität Mozarteum – aspekte-salzburg.com
Bilder: Aspekte Salzburg / Wolfgang Kirchner