Winter, Kuss und Kaiser-Schmarren
LANDESTHEATER / SKIVERLIEBT
02/02/25 Das Sommerfrische-Singspiel Im Weißen Rössl diente als Vorbild für ein als „Pop-Operette“ bezeichnetes Wintersport-Musical namens Skiverliebt, welches bei der Uraufführung am Samstag (1.2.) im Landestheater nicht nur von der Tourismuswirtschaft, sondern auch vom genrespezifischen Publikum lauthals gefeiert wurde. Ob das Stück die Ski-WM in Saalbach überleben wird?
LANDESTHEATER / SKIVERLIEBT
02/02/25 Das Sommerfrische-Singspiel Im Weißen Rössl diente als Vorbild für ein als „Pop-Operette“ bezeichnetes Wintersport-Musical namens Skiverliebt, welches bei der Uraufführung am Samstag (1.2.) im Landestheater nicht nur von der Tourismuswirtschaft, sondern auch vom genrespezifischen Publikum lauthals gefeiert wurde. Ob das Stück die Ski-WM in Saalbach überleben wird?
Von Gottfried Franz Kasparek
„Zwei Brettln, die die Welt bedeuten“, so lautet der Untertitel der hoch professionell auf die Bühne gehievten Novität. Gleich vorweg: Anna Lukasser-Weitlaner (Buch) und Frank Ramond (Liedtexte) setzen die Libretto-Tradition der Operette mit Sentiment und Witz fort. Das „Rössl“ springt immer wieder durch die Handlung. Etwa wenn eine norddeutsche Journalistin und die Bevölkerung von Saalbach, wo die Geschichte wirklich spielt, gewisse sprachliche Probleme haben – bei uns geht man in die „Schui“ (Schule), die Dame von der Waterkant glaubt aber, es handle sich um Feng Shui. Ja, genau so war das schon nicht nur am Wolfgangsee, sondern auch schon in „Wiener Blut“. Die aktuelle Wirtin im Dirndl trägt den nicht besonders alpinen Namen Jessica, ohne dass dies eine Auswirkung auf ihre rudimentären Kenntnisse des Englischen hätte – und sie findet ihr Glück am Schluss mit ihrem alten Verehrer Leopold, der freilich kein Oberkellner, sondern ein Faktotum für alles ist.
Was in der tragischen Oper die Leichen im Finale sind, dassind in der Operette die glücklich vereinten Paare. Diesmal sind es gleich vier. Neben dem schon erwähnten finden auch die rivalisierenden Skistars Anna und Camilla mutig zueinander – ein wenig Modernität muss sein und lesbische Liebe ist etwas völlig Natürliches. Der übrig gebliebenen Liebhaber und Trainer der lokalen Größe Anna wird sich mit der Journalistin trösten. Zwischen dem kapitalistischen Bürgermeister und einer um ein seltenes Insekt namens „Unkenblitzer“ auf der Piste kämpfenden Umweltschutzbeauftragten entstehen zarte Bande, nachdem der fürs Skifahren und fürs Insektenleben wichtige Schnee zurück gekehrt ist – wobei ein Kaiserschmarrn der Wirtin eine verbindende Rolle spielt und die Rosinen nicht fehlen dürfen. Das Ganze ist gut gemischt aus hübschem Kitsch, gutmütiger Ironie, sanfter Zeitkritik und derbem Schmäh.
Die Musik stammt von Martin Lingnau, einem Könner seines Fachs, der für Tempo und Rasanz sorgt, aber auch die Liebe süßlich süffig besingen kann, den „Andachtsjodler“ lustig zum Eröffnungssong profaniert und sogar um Wiener Walzerklänge nicht verlegen ist. Die Melodien abgesehen vom Jodler bleiben nicht im Gedächtnis – da ist in der schwächsten Kálmán-Operette mehr an Substanz drin und im „Rössl“ gibt es dagegen eine wahre Hitparade. Der Anteil des geschickten, klassisch-romantisch wissenden Orchestrators Andreas Lange am Effekt der Partitur dürfte ein sehr hoher sein. Was ein „Musical Supervisor“ und „Vocal Arranger“ eigentlich macht, ist die Frage. Nun gut, das Genre war immer schon häufig ein Teamwork, siehe wieder einmal das Vorbild.
Skiverliebt ist ein Auftragswerk des Salzburger Landestheaters in Kooperation mit dem Tourismusverband Saalbach Hinterglemm, SalzburgerLand Tourismus und dem Schmidts TIVOLI Theater Hamburg.
Christian Floeren hat eine zum Konzept exakt passende, oft von Nebelschwaden durchzogene Winterlandschaft samt Frühlingseinbruch auf die Drehbühne gestellt, Johanna Lakner sehr naturalistische Sport-Kostüme beigesteuert. Andreas Gergens Inszenierung hat den ihm eigenen, zündenden Musical-Furor samt handfester Theaterpranke, wozu Choreograph Jonathan Huor weiteres bunt bewegtes Treiben beisteuerte. Ein wenig schrammt das Ergebnis all dieser Bemühungen mitunter schon an der Löwinger-Bühne seligen Angedenkens vorbei, aber der Zucker schmeckt dem Affen nach wie vor. Chor und Ballett sind mit Eifer dabei. Das Mozarteumorchester unter der perfekten Leitung von Tobias Meichsner zeigt sich, wie immer in solchen Fällen, als tolle Big Band, diesmal mit ein bisschen Operettenpep.
Der Rezensent sieht sich außerstande, den ihm manchmal geradezu körperliches Unbehagen verursachenden Mikroport-Musical-„Gesang“ mit Fachkenntnis zu beurteilen. Als unverbesserlicher Belcanto-Anhänger vernimmt er leider sehr viel flach tönendes Geschrei, gegen das der Verismo eine Sparte des Schöngesangs ist. Ausnehmen davon möchte er Patrizia Unger, die mit komischer Begabung eine entzückende Umweltschützerin Fiona ist, und wohl auch Caroline Hat als fesche und kesse Journalistin Hannah. Anna Rosa Döller ist als Typ jugendlich blonder Skistar Anna umwerfend realistisch und liebenswert – und wäre als patente Schauspielerin bestens zu empfehlen. Dass alle „Einheimischen“ Dialekt sprechen, ist erfreulich, dass sie im Gesang häufig in das seltsame deutsche Popgeheule wechseln, weniger. Letzteres Problem hat Anna Bárbara Bonatto als echt brasilianische Camilla mit herber Ausstrahlung nicht. Larissa Enzi wäre sicher auch eine gute Rösslwirtin, würde sie singen lernen. Amelie Polak, auch als Jodlerin unterwegs, Alea Hagedorn und Minori Therrien komplettieren die Gruppe der Abfahrts-Prinzessinnen mit Verve. Tanzen können sie alle sehr gut wie auch die Männer – ständig wird Bewegung gefordert, die völlig normal erscheint, alle Achtung für diese Leistung.
Georg Clementi findet als schusseliger Leopold zu Momenten, in denen seine heimliche Liebe ergreifend wirkt und singt in guter alter Komödientradition. Timotheus Hollweg stimmt als „anlassiger“, freilich echt verliebter Trainer Franz aufs Beste. Manuel Mairhofer ist als Peppi Unterberger, der geschasste Tiroler Skilehrer der Brasilianerin, die eigentlich interessanteste Figur, denn er gewinnt im Lauf der Handlung mephistophelische Statur und verführt als falscher Freund den guten Franz zu schlechtem Tun. Der kokainhaltige Urin des teuflischen Machos wird als Dopingprobe mit dem der Camilla vertauscht, was finale Verwicklungen beim krönenden Abfahrtslauf verursacht, aber am Ende dann doch zur „Goldenen“ und „Silbernen“ für das liebende Paar führt. Und der Star des Abends. Alfons Haider? Der ist einfach ein talentierter Selbstdarsteller und als Ämter kumulierender Ortskaiser von eher eleganter Starur goldrichtig eingesetzt. Einst hat er seine Karriere ja als wirklicher Kaiser begonnen... Und wen kümmert heute noch Fritz Kreislers melodienselige Sissy... Resümee: Nette Unterhaltung im Fasching. Empfindliche, Ohrenschutz nicht vergessen!
Skiverliebt - zwei Brettln, die die Welt bedeuten – Aufführungen im Landestheater bis 23. April – www.salzburger-landestheater.at
Bild: LT / Tobias Witzgall