Seifenblasen und greifbarere Träumereien
SOMMERSZENE SALZBURG
07/05/25 „Wirklich magische Kunsterlebnisse“ verspricht Intendantin Angela Glechner für die Sommerszene zwischen 10. und 22. Juni – eben gemäß dem Motto Real Magic, das man sich diesmal gegeben hat. Eine Mischung aus vielen Sparten und Ausdrucksformen.
Die visuellen Träume im Residenzhof werden voraussichtlich nicht so schnell zerplatzen wie Seifenblasen. An solche soll die Skulptur der Architektin Zara Pasfield und des Designers Renzo B. Larriviere erinnern. Evanescent ist ein begehbares Kunstwerk aus farbreflektierenden Folienkugeln, die auf wechselnde Lichtverhältnisse reagieren. Wir sollen das Staunen wieder lernen wie Kinder – und zugleich die Welt als zerbrechlich erahnen. Für diese Klang- und Lichtinstallation hat das Künstlerduo unter anderem in London einen Design-Preis bekommen.
Dieses Kunstwerk gibt auch die Kulisse ab für The Fauns of Evanescent, einen Tanzabend von Martin Kilvady und der Gruppe The Good Bunch. Kilvady, in der Slowakei geboren, arbeitete lange in Brüssel und lebt in Salzburg. Begleitet wird der Tanz von Live-Musik des Instrumentalisten und Komponisten Simon Thierrée.
Eine Huldigung an Johann Strauss auf der Sommerszene kommt unerwartet. In ZONDER, einem humorvollen Stück der argentinischen, in Brüssel arbeitenden Choreographin Ayelen Parolin, scheint alles schief zu laufen. Ein Trio versucht sich am Donauwalzer, gerät aber ordentlich aus dem Takt und ins Straucheln. Aber aufgeben gilt nicht. „Das Stück entlarvt die Pseudo-Intellektualität von zeitgenössischem Tanz und die Vorstellung, das Publikum sei selbst schuld, wenn es nichts versteht“, heißt es in der Stückbeschreibung.
Der marokkanisch-französische Choreograph Taoufiq Izeddiou entfacht mit seinem Stück La Terre en Transe ein Tanzfeuerwerk mit Livemusik mit traditionellen arabischen Klängen bis zum Techno Beat. Sogar auf Waschschüsseln wird getrommelt. Neun Tänzer und drei Musiker erforschen die kreative Dimension der Trance und ihre spirituellen Wurzeln.
Der Niederländer Arno Schuitemaker und BODHI PROJECT untersuchen in Woven in the bone die sozialen Codes der Clubkultur. Tanzen ist Lebensgefühl, aber auch Erinnerung, die es zu bewahren, oder von der es sich zu lösen gilt. „Festhalten ist nicht dasselbe wie am Leben erhalten.“ Darüber soll man in dieser immersiven Arbeit aus Tanz, Performance, bildender Kunst und Clubkultur nachdenken.
Helene Weinzierl spürt mit ihrer Truppe CieLAROQUE in der Stadtgalerie Lehen in thiS is nOt a sunSet der Fragilität unserer Wahrnehmung nach. Vier Performerinnen und Performer auf der Suche nach einer gemeinsamen Ordnung. Sie schauen sich an und aneinander vorbei. Aus dem vermeintlichen Durcheinander wächst doch ein Miteinander, freilich nicht von alleine. Wie das Chaotische ordnen, danach fragt auch das spanisch-libanesische Duo Maria Campos & Guy Nader in Natural Order of Things.
Die österreichische Ausnahmechoreographin Doris Uhlich kommt mit zwei Produktionen zur Sommerszene. In ihrer speziell fürs Museum der Moderne entwickelten Performance site specific Parcours downstairs geht es tatsächlich die Treppen rauf und runter. Zwei der bekanntesten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts zeigen eine weibliche Figur, die eine Treppe hinabschreitet. Marcel Duchamps Nu descendant un escalier no. 2 wurde wegen seiner avantgardistischen Formensprache abgelehnt. Gerhard Richters Gemälde Ema (Akt auf einer Treppe) wurde nicht nur für seinen Blick auf den weiblichen Körper kritisiert, sondern in den 1980er Jahren sogar das Ziel einer Messerattacke. Auf diese Werke bezieht sich die Choreographie.
Die Wiederaufnahme des Stücks more than naked von Doris Uhlich mit anschließender Flesh Floor Party bildet das Ende der Sommerszene.
Ein politisches Ausrufezeichen setzt der Libanese Omar Rajeh mit Dance is not for us in der ARGEkultur. In seinem Solo verarbeitet er den Schmerz über die Zerstörung Beiruts auf berührende Weise. Die finnische Gruppe Oblivia entfacht mit REALITY BANG eine absurde musikalische Explosion.
Zum vierten Mal kooperiert die Sommerszene mit dem Thomas Bernhard Institut an der Universität Mozarteum, konkret mit dem Masterstudiengang Applied Theatre – Kritische Theaterpraxis & Community. Ist eine Minte lang oder kurz? In der Performance X Human Minutes geht es um Momentaufnahmen menschlicher Existenz – gewöhnliche Momente, lustige Situationen, bewegende Begegnungen im Spiegel junger Menschen. Das Publikum wird miteinbezogen.
Vor den Veranstaltungen in der SZENE finden Einführungsgespräche in lockerer Runde statt. Neben den etablierten Artist Talks und Masterclasses lädt die Sommerszene dieses Jahr erstmals zu einer Workshop-Serie unter freiem Himmel und (schon am 22. Mai) zu einem Stammtisch für Lehrerinnen und Lehrer. (Sommerszene/dpk-krie)
Sommerszene Salzburg 2025 von 10. und 22. Juni – print@home-tickets> ab 8. Mai 2025 – szene-salzburg.net
Bilder: Filmstills Evanescent (1); La Terre en Transe (1); ZONDER (1); Woven in the bone (1)