Der unsterbliche Verführer
UNI MOZARTEUM / DON GIOVANNI
13/05/25 Il dissoluto punito o sia il Don Giovanni steht, betitelt wie bei der Uraufführung, auf dem Programm. „Der bestrafte Wüstling“ beschließt den Zyklus der da Ponte-Opern der Universität Mozarteum, der seit drei Jahren für Furore sorgt. Die entsprechenden Abteilungen und das „Mozart-Forum“ zeigen wieder einmal, was sie können – packendes Musiktheater, das jeder Konkurrenz standhält.
Von Gottfried Franz Kasparek
Einen stimmigeren Don Giovanni hat es in den letzten zehn Jahren in Salzburg nicht gegeben, sei hier behauptet. Der letzte war 2014 in einer Inszenierung des unvergessenen Eike Gramss am selben Ort zu erleben. Nun hat Alexander von Pfeil ein Meisterstück geliefert. Sein selbst gestaltetes Bühnenbild besteht eigentlich nur aus einer verschiebbaren dunklen Wand, auf die vor den beiden Akten ein paar passende Textzeilen projiziert werden. Sonst dient sie nur der stimmigen Lichtgestaltung von Anna Ramsauer, in einer spannenden Chiaroscuro-Manier mit schwarzen Hintergründen und oft ins Helle, ja Grelle gerückten Figuren. Dies ist „armes Theater“, wenn man so will, und es ist äußerst wohltuend, einmal nicht von Videos überflutet zu werden. Tontechnisch genügt das etwas monotone Vogelgezwitscher vom Band in den mitunter sehr breit ausgewalzten Rezitativen, womit aber schon alles nicht ganz Geglückte angemerkt ist. Niuniu Miso Liu spielt pointiert und klangvoll das Hammerklavier.
Dass zur Hochzeit des Bauernpaars die Abendglocken von Sankt Andrä in den Max Schlereth-Saal hinein läuten, war vielleicht gut abgestimmt, vielleicht ein schöner Zufall Die zeitlos modernen Kostüme von Eva-Mareike Uhlig passen exakt zu den Personagen, samt einigen historischen Zitaten. Die Maskeraden funktionieren blendend, der Titelheld darf meistens ganz in Weiß auf Frauenjagd gehen und am Fest Perücke tragen, die Damen sind aufgehellt, aber nicht bunt.
Leporello bevorzugt dunkelgraue Farbtöne und nackten Oberkörper, Don Ottavio mit Melone auf dem Kopf wirkt optisch wie ein Versicherungsvertreter aus dem Mittelwesten, entpuppt sich aber als gar nicht langweiliger Geselle. Die von einem nach nächtlichen Schlägereien etwas lädierten Don Giovanni mit einer Serenade beglückte Zofe ist eine heimliche Tochter ihrer Herrin Donna Elvira, also vielleicht auch eine des Anbeters. Sie darf den ganzen Abend eine stumme Rolle mitspielen. Immer wieder sind Personen auf der Bühne, die im Libretto nicht vorgesehen sind. Der Wüstling verfängt sich mehr und mehr im Netz tragikomischer, letztlich erfolgloser Beziehungen. Alexander von Pfeil macht geradezu mit Inbrunst tolles Bewegungstheater – bewundernswert, was das junge Ensemble da alles an Körpereinsatz bewältigt, auch und gerade, wenn es singt.
Im lustvoll erfüllten Festsaal denkt man an Fellini-Filme. Zur Höllenfahrt erscheint Il Commendatore mit hohlem Bassgetöse und liefert den Sünder den Frauen aus, die ihn wie rasende Teufelinnen in die Flammen treiben – doch siehe da, ganz am Ende, nach dem Sextett der verstört Hinterbliebenen, wankt er wieder heraus und nimmt auf dem Sessel Leporello gegenüber Platz. Don Giovanni, der Unsterbliche? Die Geschichte beginnt von vorne...
Grandios, was Gernot Sahler am Pult eines hoch motivierten Orchesters aus der Partitur an dramatischen Akzenten herausmeißelt, an schillernden Zwischentönen aufdeckt, wie sehr er die heikle akustische Balance zur Bühne hält. Dies ist eben nicht mehr barocke Festoper, es ist an die Pforten der Romantik, ja oft der Moderne klopfendes, ewig junges Musikdrama. Der Chor, einstudiert von Stefan Müller, hilft dabei famos mit.
Brett Pruunsild, so jung er ist, spielt Don Giovanni als sexsüchtigen Mann in den besten Jahren, als Getriebenen, der selbst auch darunter leidet und Mitleid mit der ihn verzweifelt anhimmelnden Donna Elvira, aber gleichzeitig Gier nach deren Tochter empfinden kann. Mit virilem, chevalereskem, doch ebenso forderndem Edel-Bariton lässt er mehr als nur aufhorchen. In die Rolle wird er weiter hineinwachsen. Agnes Hyunjin Kim, die bebrillte Elvira mit hellem Sopran, kann auch erfrischend komisch wirken, wenn sie unversehens zur Gehilfin des Verführers wird, dem sie in Hassliebe verfallen ist. Nikolett Mráz als Donna Anna hat loderndes Feuer in der Stimme und spielt mit Verve, auch mit Don Ottavio, der beim leichten lyrischen Tenor Ilya Dovnar gut aufgehoben ist, leider nur mit Il mio tesoro als Arie.
Amelie Sophie Gorzelik, die adrette Zerlina, beeindruckt und bewegt mit schön fokussierter, glockiger Sopranlyrik – und ja, sie ist einem Abenteuer mit Don Giovanni nicht abgeneigt. Wenn da nicht immer der ein wenig tolpatschige Kerl von einem Masetto, mit sozusagen geradem Bariton Samuel Andre Pörnbacher, dazwischenkäme. Taesung Kim lässt als Leporello keine der häufigen Raufereien aus und punktet mit saftigem Spielbariton – und ist endlich wieder einmal kein bloßes Spiegelbild seines Herrn. Danny Leite dröhnt passend als Commendatore. Gundula Goecke mimt die stumme Tochter ausdrucksvoll.
Jubel am Ende – heutzutage ist ja auch Pfeifen wie beim Rockkonzert eine Form der Begeisterung. Dazu kommt neuerdings ein sonderbares „Huhu“, das man fataler Weise mit „Buh“ verwechseln kann. Die traditionelle Bravo-Fraktion hat es nicht mehr so leicht.
Weitere Vorstellung in dieser Besetzung am 15. Mai auch als Livestream – sowie in teils alternativer Besetzung am 13. und 16. Mai jeweils 18.30 Uhr im Max Schlereth-Saal – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Judith Buss