Babel im Serail

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / ENTFÜHRUNG

13/10/10 Die Gärten des Bassa haben drehbare, hübsch auf Sperrholz gemalte Büsche, zwischen denen es sich perfekt Fangenpielen und - seitens Osmins - trefflich mit dem Säbel nach Ungläubigen fuchteln lässt. Die liebenswürdig naive Bühne von Marouan Dib ist ein Schatzkästchen, das stimmliche Pretiosen birgt.

Von Heidemarie Klabacher

altEin leerer schwarzer Seelenraum (dafür werden die bunten Seitenkulissen mit den Gartenhecken einfach schwarz zugeklappt - genial) ist dageben der Schauplatz des jeweiligen sehnsüchtigen Schmachtens nach dem/der Geliebten.

„Die Entführung aus dem Serail“ in der szenischen Leitung von Hermann Keckeis, die am Dienstag (12.10.) im Großen Studio Premiere hatte, ist eine Koproduktion der Universität Mozarteum mit der „Filarmonica de Stat Sibiu“ in Rumänien. Sibiu war die Europäische Kulturhauptstadt 2007.

altSängerinnen und Sänger - und das Orchester - aus Rumänien sind also dabei. Japan und Korea sind freilich ebenfalls vertreten (in der Premierenbesetzung in Gestalt von Pedrillo und Blonde). Babylonisches Sprachengewirr ist die Folge - und fällt bei einem Singspiel mit soviel Sprechtext, wie ihn die Entführung erfordert, natürlich besonders unlieb auf. Darin unterscheidet sich eine „Opernschulproduktion“ keineswegs von den Produktionen größter Häuser. Aber vielleicht sollte man da wie dort mehr auf Sprach-Coaches setzen.

altZurück zur Musik und zum Gesang. Mirela Bunoaica ist Konstanze. Sie machte aus der "Martern-Arie" eine Szene größter emotionaler Intensität und gesangstechnischer Souveränität. Klang die Stimme bei der Eingangsarie „Ach, ich liebte, war so glücklich“ noch ein wenig eng, entfaltete sie sich in dem dramatischen Wechselbad zwischen Verzweiflung, Flehen und Hoffen zu einem kräftigen Band aus glitzernden Koloraturen und samtiger Kantilene. Der Belmonte des Abends kommt aus Griechenland: Vassilis Kavayas gebietet über einen ebenso kräftigen wie facettenreichen Tenor.

altVertreter aus Fernost gaben das "niedrige Paar": Die Südkoreanerin Se-Ri Baek als Blonde ist darstellerisch ein Temperamentsbündel, stimmlich fügte sie sich überzeugend in die Ensembles ein. Gesangs- und sprechtechnische Probleme überspielte sie geschickt. Der Japaner Masashi Tsuji verbreitete als Pedrillio tenoralen Schmelz. Er war, fast noch mehr als die Kollegin aus Korea, das Opfer mangelnden Sprech- bzw. Sprachunterrichts: Die unzählige Male zu singende Phrase „Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite“ machte ihm rein sprecherisch derart zu schaffen, dass sich die zunehmende Verunsicherung auf den Gesang auswirkte. Das ist nicht dem jungen Sänger vorzuwerfen. Das müsste - an einer Ausbildungsstätte - seinen Lehrern auffallen. Und zwar lang vor der Premiere.

altStimmlich und darstellerisch souveräner Gebieter über den Harem - auch wenn er aus der Hängematte gekippt wird - ist David Steffens als Osmin. Sein Gebieter wiederum - der Bassa - ist Frederic Böhle.

Burka-Trägerinnen als devot trippelnde Kulissenschieber oder die durchgestrichenen Worte „Rache“, „Gewalt“ oder „Unrecht“ im Bühnenhintergrund deuteten auf einen politischen Interpretationsansatz. Auf einen psychologischen der Gegensatz zwischen buntem Garten (wo die komödiantischen Teile spielen) und schwarzem Raum (wo die Gefühle reflektiert werden). Nicht alle hatten, wie Mirela Bunoaica als Konstanze, die nötige darstellerische Präsenz zum Alleingang. Gegen Rampensingen und Händeringen wäre Regie gefragt.

Im Orchestergraben die Filarmonica de Stat Sibiu, die unter der Leitung von Josef Wallnig mehr handfest als feinsinnig, aber mit mitreißender Verve über Serail-, Garten- und Hafenmauern führte.

Weitere Aufführungen: Mittwoch (13.10.) und Donnerstag (14.10.), 20 Uhr Großes Studio.
Bilder: Universität Mozarteum