SOMMERSZENE / WEINZIERL

18/06/25 SOS. Der Hilferuf ist wohl auch die Botschaft der zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer, die in der Sprache der Bewegung Probleme – persönliche, soziale oder politische – sichtbar machen wollen. CieLAROQUE/Helene Weinzierl mit thiS is nOt a sunSet mit den drei Großbuchstaben.

Von Brigitte Janoschka

Während die Besucher draußen vor der Stadtgalerie Lehen noch auf Einlass warteten, konnten sie den Tänzerinnen und Tänzern durch die Glasfenster beim vermeintlichen Aufwärmen zusehen. Als sich dann am Dienstag (17.6.) bei der Sommerszene am Inge-Morath-Platz der Saal füllte, ging die Performance ohne Übergang und ohne gesetzten Anfang weiter. Wie im wirklichen Leben. Für die Zuschauer ging es darum, aufmerksam wahrzunehmen und dann das Wahrgenommene zu deuten. Denn hinter der Sprache der Bewegung steht – genauso wie als Basis der Gebärdensprache – eine Grammatik, eine Semantik der Bewegungs-Zeichen.

Vier Menschen bewegten sich in unterschiedlichen Beziehungen und Konstellationen zueinander, ruck- oder tickartig, wie. Im Programm ist von Betriebssystem“ die Rede. Sie bringen mimisch und gestisch Gefühle wie Erstaunen, Erstarren oder Schrecken zum Ausdruck. Assoziationen zum Gemälde Der Schrei von Edvard Munch entstehen vor dem geistigen Auge, als eine der Tänzerinnen mit dieser extremen Mimik Karaoke mehr schreit als singt. Meist gibt Techno-Musik mit viel Percussions-Instrumenten den akustischen Background. Sirenengeräusche signalisieren eine drohende Gefahr.

In der Andeutung einer dramatischen Entwicklung ändert sich die Szene abrupt, und alle tanzen heiter auf einen Popsong. Während eine der beiden Frauen auf einem Stuhl mit einem Pulli ihren Kopf bedeckt, ihre Identität versteckt und damit eine heimliche Zuschauerin ist, zieht die zweite Frau den auf einem Kleiderbügel hängenden Pelzmantel und die dazugehörige Pelzmütze an, singt mit, tanzt wild, bis alles in einer Ekstase endet. In diesen Zustand entwickeln sich viele der Tanzbewegungen. Aber es gibt auch den Versuch, eine Struktur zu finden, indem alle irgendwo im Raum befindlichen Gegenstände in der Mitte angeordnet und aufgetürmt werden: Sitzgelegenheiten, wie Kartons oder Kuben mit grünem Netzgeflecht bilden mit Stühlen aus Stahlrohr und einem Säulenkapitell eine Art Installation, die mit Fahrradreifen und Gummischläuchen geschmückt und von einer lebenden Farnpflanze gekrönt wird. Davor drapieren die vier Tänzer sorgfältig ein weißes, korallenartiges Gebilde. Es könnte auch ein Wohnzimmer sein.

Neben dieser äußeren Entwicklung gibt es auch eine innere – wenn die Tänzerinnen und Tänzer, die zunächst „einsam“ nur für sich alleine tanzen und ins Leere starren, sich gegenseitig anschauen und einander helfen, vom Boden aufzustehen. Denn dort liegen sie immer wieder. Auch der Versuch eines erotischen sich Näherkommens mit bebenden Körpern gehört dazu.

Zwischendurch wird die englische Sprache als Ausdrucksmittel verwendet, zunächst nur mit unverständlichen Silben, später mit der mehrfachen Wiederholung einzelner Worte in einem Satz. Sprachlich verständlich wird es mit den Inhalten: „Die Bewegung innen wird zur Bewegung außen.“ „Was ist das Konzept?“ Oder: „Ich weiß es nicht, weißt du.“ „Der Staub tanzt im Licht, das Licht ist still.“ Wie in einer Fuge wiederholen sie diese Sätze versetzt. Und sie singen eine Art Gospel mit entsprechender Bewegung: „Dies ist nicht der Anfang des Tagesendes. Das ist nicht ein Sonnenuntergang“. So ist es eben nicht (nur) ein Sonnenuntergang, sondern Symbol, Allegorie oder Metapher. Sie tanzen hinaus und überlassen die Bühne einem Saugroboter. Auf dem kubischen Aufbau darauf ist eine Damenperücke. Anklänge an Eugène Ionescous absurdes Theater haben manche Zuschauer ratlos hinterlassen, die meisten werden aber wohl zum Nachdenken angeregt worden sein, denn das visuell Dargestellte wirkt im Unterbewusstsein und im Geist sicherlich noch lange nach.

Die Sommerszene Salzburg dauert noch bis 22. Juni   www.szene-salzburg.net
Bilder: Szene Salzburg / Bernhard Müller