SOMMERSZENE / OMAR RAJEH

16/06/25 Er erzählte im Tanz sein Leben, sprach von einem unheilbaren Schmerz, von Kampf und Kriegsgeschehen. Dazu bewegte er sich, als wollte er Dinge aus seinem Leben wegwischen, oder er zitterte am ganzen Körper und kämpfte gegen einen Widerstand...

Von Brigitte Janoschka

Der Tänzer und Choreograph Omar Rajeh aus Beirut verbindet Tanz und Philosophie. Vor allem stellte er eine direkte Verbindung zwischen seinem persönlichen Leben und dem Publikum her, indem er die Menschen im Saal mittels eines Monologs, der über eine Videoprojektion an der Bühnenrückwand erschien, direkt ansprach. Aller Wege haben sich quasi gekreuzt. Aus diesen Gedanken entwickelte sich die Erzählung über sein Leben, das er daraufhin im Tanz darstellte. Die Erklärungen an der Wand – zunächst auf Englisch und Deutsch, später auch auf Arabisch – halfen beim Verständnis. Das Leben ist ein Tanz, das Leben ist Theater, und so gehörte auch das lange Warten auf die Öffnung des Saals in der ARGE Kultur zu einer Performance, die zugleich Tanz und Theater war: Die Sommerszene bringt Omar Rajeh mit Lebensphilosophie durch Tanz auf die Bühne. Seine Gedanken drehen sich um Fantasie und Wahrheit, um seine Erfahrungen, um sein gegenwärtiges Erleben auf der Bühne: „Ich sitze im Dunkeln und höre die gleiche Musik wie Sie“, war zu lesen. Er stand da mit einer Farn-Pflanze, die an eine Zeder erinnerte und bald auf einem Tisch Platz fand. Und dann kam aus dem Lautsprecher ein Hämmern und Stampfen, ein regelmäßiges Klopfen, das immer intensiver wurde.

Omar Rajeh begann zu tanzen, in normaler Straßenkleidung, barfuß, zuerst nur mit den Händen und Armen, danach mit dem gesamten Körper – ein Ausdruckstanz der Emotionen. Es wirkte wie Gebärdensprache oder Pantomime, manchmal auch wie Break Dance oder HipHop. Es war, als könne der Tänzer jeden Muskel seines Körpers extra bewegen. Er nahm er die Bühne für sich ein und dekorierte sie mit neun Tabletts mit kleinen Basilikumtöpfchen. Sehr viel Ausdruckskraft zeigte er mit seinen Händen und Fingern, schrieb er etwas an eine Tafel oder stellte er Schattenfiguren dar? „Wer bin ich wirklich“ oder „Was hat mich zu dem gemacht, was ich bin“, fragt er. Warum er den Tanz gewählt habe? „Der Tanz schien mir am revolutionärsten, konfrontativsten und provokativsten zu sein“. Er erzählte im Tanz sein Leben von der Kindheit bei der Großmutter an, sprach von einem unheilbaren Schmerz, von Kampf und Kriegsgeschehen. Dazu bewegte er sich, als wollte er Dinge aus seinem Leben wegwischen, oder er zitterte am ganzen Körper und kämpfte gegen einen Widerstand. Immer intensiver dröhnte die Percussion im Raum, der Rhythmus wurde punktiert. Omar machte Schießbewegungen, zeigte Übelkeit, stellte Schmerzen dar.

Er kündigte eine Pause an, in der arabische Musik mit dem libanesischen Sänger Nasri Chamseddine ertönte. Währenddessen ließ er Erinnerungen vor seinem geistigen Auge vorüberziehen, die schriftlich als Bildname, jedoch ohne Bild, an der Rückwand durchliefen. Er drückte Gefühle aus, wie Leidenschaft, Nostalgie, Verlust, aber auch Hoffnung – Zeichen dafür waren die Basilikum-Pflänzchen, die er schließlich liebevoll in Kreisen anordnete. Die Musik wurde fröhlicher und zauberte ihm mit einer Melodie aus tiefen Orgel-Borduntönen ein Lächeln ins Gesicht. Sein Leben habe ihm Erkenntnis gebracht: Wir wissen, was wir erlebt haben, was mit uns passiert ist. Wir nehmen unseren Schmerz und gehen damit auf Tournee. Wir lesen ihn laut vor und tanzen ihn. Es ist nicht dramatisch, es ist Realität“. Beirut sei „eine Stadt voller Katastrophen, ein Dschungel menschlicher Grausamkeiten“, die viel mit den Tragödien der Antike zu tun haben, schrieb er. Traum oder Wirklichkeit? Sein Kinderarzt habe seinen Schmerz nie verstanden, er sollte ihn für sich behalten, weit weg vom Arzt – Hilflosigkeit dem Schmerz gegenüber. „Aber wir sind alle hier heute Abend. Die Vergangenheit, die wir jetzt hinter uns lassen, sucht nach einer Zukunft, um ihre Geschichte fortzusetzen. Eine getanzte Geschichte, die uns allen gehört“ mit kraftvollen Bewegungen und sozial-politischen Botschaften. Und er verteilte die Basilikumtöpfchen im Publikum. Ein Zeichen der Hoffnung am Ende einer getanzten Therapiestunde für alle.

Die Sommerszene Salzburg dauert noch bis 22. Juni   www.szene-salzburg.net
Bilder: Ssz / Fabiano Lauciello (1); dpk-jano (2)