LANDESTHEATER / MINDCRAFT
12/05/25 Mindcraft, eine Musical-Uraufführung des Landetheaters nach dem Buch von Carolin Anna Pichler, die auch bei der Musik mitmischte. Eine gelungene Produktion mit junger Crew für Jung und Alt. Heiß diskutierte Zeitprobleme zu einem cool-trivialen Plot.
Von Erhard Petzel
Die Grundidee zu dieser Uraufführung bedient ein gewöhnliches Setting: Vier Jugendliche saugt es beim gemeinsamen Gamen ins Netz, wo sie, bisher als Avatare unterwegs, sich in reale Personen transformiert finden. Nicht mehr oder weniger originell ist die musikalische Umsetzung zum Musical. Eine Zusammenarbeit von Autorin Carolin Anna Pichler, Wolfgang Götz (musikalische Leitung) und Kate Watson mit KI-Unterstützung. Vielleicht hebt sie sich auch deshalb aus dem Pool zeitgemäßer Musicals heraus, da die Musik hier perfekt funktioniert. Die Großteils jugendlichen Singstimmen werden nicht überfordert oder zugedeckt, sondern kommen ohne Krampf und Kampf zur Geltung. Die musikalischen Nummern bilden in hohem Maß eine animierende Funktionalität aus, in deren Flow solistisch bis zur Chorus Line motiviert sehr gut tanzen und singen ist. Mehr kann man mit Fug und Recht nicht fordern, Originalität ist vielleicht ja auch gar kein wesentliches Kriterium bei einem Thema, das stereotype Spielwelten abhandelt.
Wenn die vier auf der Vorderbühne aufgereihten Jugendlichen sich zum Gaming verabreden, tun sie das unter dem Druck ihrer familiären und schulischen Lebensverhältnisse. Wohlstandsverwahrlosung durch anderwärts beschäftigte Eltern spielen hinein, der Konflikt mit der vernachlässigten Freundin, oder es nerven der jüngeren oder älteren Schwestern. Wenn sie endlich in der Kunstwelt des obskuren Gamemakers (Christoph Wieschke) gefangen sind, wird jedem der beiden Burschen und Mädchen als spezielle Herausforderung die Auseinandersetzung mit diesen privaten Konflikten zugemutet, auf dass sie ihre Emotionen abtasten. Zu den agierenden Avataren treten dann die entsprechenden Jugendlichen in beiden Besetzungen aus der Chorus Line in Aktion.
Eine wirklich geglückte Symbolik zur Precht’schen Fragestellung: Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? Becky (Leopoldine Richards/Alma Tomasi), Chris (Daniel Fussek/Benedikt Hammerschmid), Nick (Paul Rainer/Nils Pühringer) und Lara (Carla Kottulinsky/Sophie Münch) können nur über ihren unbedingten Zusammenhalt wieder aus dieser Kunstwelt zurück ins reale Leben. Sie nehmen sich ganz fest vor, endlich auch im wirklichen Leben aufeinander zu treffen statt nur im Netz.
Nur Gamemaker Wieschke ist ein schwarzer oder aufgebrezelt silberner Alter mit Fixierung auf Transhumanismus. Dafür stottert und vertaktet es sich bei diesem Netzmonster ständig. Die Avatare der Jugendlichen (Raphael Binde, Daniel Therrien, Alea Hagedorn, Diana Leonie Bärhold) sind selbst noch junge Erwachsene, denen man die Verkörperung ihrer Jugendlichen komplett abnimmt. Sie bewegen sich ganz natürlich im unnatürlich stereotypen Modus dieser Stereotypen, wenn sie nicht gerade körperintensive Challenges absolvieren. Das Verhältnis Jugendlicher zum Ideal einer künstlichen Identifikationsfigur manifestiert sich hier in berührender Weise zu der bereits erwachsenen und professionell agierenden Leitperson. Das verleiht der Produktion empathische Tiefe.
Unterstützt wird dieses Mind-Setting in Mindcraft durch die fantasievolle Bühne mit unterschiedlichen Ebenen und bespielbaren Planen, die mit ansprechenden Projektionen belebt werden und durch den Zauber der Kostüme (Bühnenbild und Kostüme Vanessa Habib). Zwar werden auch hier Würfelwände hochgezogen, aber der äußere Aktivismus der Spielvorlage Minecraft unterliegt hier der innerlichen Bewegung eines Minings in den Windungen des Mindsets.
Man darf allen Jugendlichen gratulieren, die ihre Plätze ausgezeichnet ausfüllen, und sie zur Teilhabe an diesem hoch befriedigendem Projekt in der Inszenierung von Carl Philip Maldeghem und den Choreografien von Josef Vesely und Kate Watson beglückwünschen. Ob Dance-Crew oder Chor, ob jugendliche Solostimmen oder die Darbietungen der Avatare, alles fügt sich harmonisch zu einem gemeinsamen Ereignis.
Und die Moral wird in der Dialogfassung von Sarah Henker auch nicht mit dem Holzhammer gedroschen, sodass es keiner Warnung vor Abgedroschenheit bedarf. Alles ist fein angerichtet und gut verdaulich. Das zahlreiche junge Publikum (und nicht nur dieses) zeigte sich stürmisch begeistert.
Weitere Aufführungen bis 16. Juni – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Christian Krautzberger