UNI MOZARTEUM / MEDUSA/GIUDITTA
14/06/25 „Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang...“ heißt es in den Duineser Elegien von Rainer Maria Rilke. Elisabeth Gutjahr, Rektorin der Universität Mozarteum und Autorin des poesievollen Librettos zu Yann Robins Medusa – Angelus Novus, legte es ähnlich dem Barockmaler Caravaggio in den Mund. Und was hat das mit Alessandro Scarlattis Oratorium La Giuditta zu tun?
Von Gottfried Franz Kasparek
Medusa umrahmt das barocke Oratorium. Es beginnt mit einer Atelierszene. Der heftig rauchende Caravaggio kämpft mit seinem Gemälde über Judith und Holofernes. Figuren im Atelier werden lebendig. Das Bild wandelt sich, beginnt gleichsam zu leben. Vom im Rahmen eines ausgetüftelten Klangkonzepts famos agierenden, neunköpfigen Ensembles der Universität Mozarteum für zeitgenössische Musik (bitte um einen griffigeren Namen!) unter der souveränen Leitung von Kai Röhrig mit verstärkten Gesangsstimmen wandert der Klang in die linke Hälfte des Orchestergrabens. Dort führt ebenso kompetent Vittorio Ghielmi den Dirigentenstab und leitet das wohlklingende und historisch gut informierte universitäre Barockorchester – und die drei ohne Verstärkung singenden Figuren auf der Bühne spielen die biblische Geschichte von Judith und Holofernes so gut, dass man immer wieder die Gänsehaut bekommt.
Der Maler wandert mit einem Scheinwerfer – könnte auch eine stilisierte Filmkamera sein – durch das Geschehen und beleuchtet sie. Nach dem letalen Ende wechselt der Klang wieder in die rechte Hälfte des Orchesterraums und ein wundersamer „Angelus Novus“ resümiert sozusagen die zeitlose Geschichte von Sex und Macht, von Liebe, Gewalt und Tod. So unterschiedlich die musikalischen Welten der beiden Stücke auch sein mögen, so gut passen sie überraschenderweise doch zusammen. Denn der französische Komponist Yann Robin hat den Text (perfekt ins Italienische übertragen von Fausto Tuscano) changierend zwischen pochendem Minimalismus, dramatischen Explosionen und einer veritablen modernen Koloraturarie im Finale so stimmig und unter die Haut gehend in Töne gesetzt, dass man sich nach diesem Auftragswerk der Universität Mozarteum gleich ein nächstes wünscht – eine abendfüllende Oper!
Für die Fülle des Abends sorgt diesmal das feinnervige Oratorium des fleißigen Barockmeisters Alessandro Scarlatti. La Giuditta, in der Urfassung eine große Oper, durfte im damaligen, theaterfeindlichen und knauserigen Rom szenisch nicht gespielt werden, also behalf man sich mit einer verkürzten Oratorienversion ohne Chor. Am Konzertmeisterpult saß bei der Uraufführung übrigens Arcangelo Corelli. Die Musik wirkt auch in reduzierter Form theatergerecht, ja scheint sogar moderner zu sein als in einer Arienparade der Seria-Oper. In Szene gesetzt hat das sehr gekonnt und dicht Florentine Klepper in der Chiaroscuro-Welt des Michelangelo Merisi da Caravaggio unter Bezugnahme auf die den Manierismus überwindende, frühbarocke Kunst des Malers und vieler seiner Bilder, freilich übertragen in eine schwarz-grau-weiße Atmosphäre mit sinnvoll eingesetzten Schiebewänden und phantasievollen Kostümen. Das Bett der Tat der Judith wird zum Zentrum. Verzaubernde und verstörende Stimmungen erzeugt das grandiose Lichtdesign von Conny Zenk.
Leider störten die allzu vielen, allzu langen und allzu grellen Versuche, das Publikum zu blenden, welche die von uns besuchte Generalprobe am Donnerstag (12.6.) zum mühsamen Schau-Erlebnis machten. Vielleicht könnte man diese derzeit seuchenartig auftretende Bühnen-Unsitte ein wenig eindämmen. Die vier Vorstellungen sind großteils doppelt besetzt. Anastasia Fedorenko ist freilich immer „Angelus Novus“ aus dem Orchestergraben mit herrlich leuchtendem Sopran, diesmal war sie auch Giuditta und trotz verständlicher Generalproben-Zurückhaltung ein Erlebnis an emotionaler Gestaltung. Ähnliches gilt für Sveva Pia Laterza als des Malers Gefährtin und Judiths Amme, ebenfalls in frischer Stimme und Erscheinung hervorragend. Der stämmige und gut geführte Tenor Yonah Raupers, als Person Holofernes ein wahrer Kerl von einem Mann, und der als Caravaggio in der Rahmenhandlung auch aufregend brummende, krächzende und schreiende Dominik Schumertl in heutigem Künstlerschwarz beleben ebenso ansehnlich die Bühne. – Die zwei pausenlosen Stunden vergehen packend. Prädikat hörens- und sehenswert!
Weitere Vorstellungen im Max Schlereth Saal heute Samstag (14.6.) um 16 Uhr sowie am sowie am 16. und 17. Juni um 19 Uhr. Ende August gibt es ein Gastspiel bei der Accademia Chigiana in Siena – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Wolf Silveri