LANDESTHEATER / ORCHESTERHAUS / THE ENDZ

26/05/25 Der Titel der Hip-Hopera von Kate Whitley, The Endz, steht für einen benachteiligten Stadtteil Londons und einen dort erfolgten Mord an einem Jugendlichen. Das Landestheater präsentiert das integrative Musiktheaterprojekt als Österreichische Erstaufführung mit jungen Leuten aus Salzburg, aber auch mit dem Mozarteumorchester im Orchesterhaus.

Von Erhard Petzel

Auch wenn Salzburg nicht London ist, sprechen die Themen Jugendliche allgemein an. Die zwei Freunde Imani und Reece fühlen sich als Schwarze diskriminiert. Während Imani Resilienz und ein gutes Selbstvertrauen ausgebildet hat, sucht der stark verunsicherte Reece Schutz in einer Gang. Die wird den Freunden zum Verhängnis, als Reece austreten will. Statt ihn trifft das Messerattentat Imani. Das ist im Kern die Handlung, deren Vorlage sich im Londoner Endz zugetragen hat. Der 17-jährige Malcolm Mide-Mandariola wurde erstochen, als er unbewaffnet einem bedrohten Freund zu Hilfe kommen wollte. Jugendliche aus seiner Schule wandten sich an die britische Komponistin Kate Whitley und an die Schriftstellerin Abi Falase, um ihren verstorbenen freund zu würdigen. Das Ergebnis ist die Hip-Hopera The Endz.

Für die Salzburger Aufführung wurden zur Besetzung von Solorollen gezielt Jugendliche aus sozial benachteiligten Stadtteilen angesprochen. Beim Cast mit dem Verein Spektrum wurden am Landestheater für Rap und Performances sieben Personen ausgewählt: Majas Jahjah, Julian W. Kroske, Marvin-tare Landl, Jessika Maria Muharib, Melinda Resinger, Dušan Spasić und Jan Tchotchov.

Die sind mit Kraft und Engagement dabei und lassen die Bühnensau raus. Leider sind die Texte nur bei den Balladen verständlich, da die Musik bei den Raps die Auflösung durch die Mikrophonie an die Grenzen bringt. Immerhin kommt zum Kern eines Multi-Story Orchestras ein beachtlicher Apparat des Mozarteumorchesters, der die Riff basierten Nummern enorm hoch powert. In die Handlung mengt er sich geschickt zu feinsinnigen Melodramen.

Daria Rumiantceva leitet auf der Bühne den Chor mit beherzten Kindern und Jugendlichen aus drei Salzburger Schulen, Musikmittelschule Maxglan II, HLWM Annahof und HAK I. Diese Sängerinnen und Sänger erweitern die suggestive Kraft der Ensembles stimmlich und gestisch. Die Aussagen kommen allerdings fallweise etwas platt daher, was auch an der Übersetzung ins Deutsche liegen mag. Aber auch an der Schlichtheit gekränkter Empörung bei stereotyper Betroffenheit, wie sie sich auf der Bühne leicht einmal entwickelt, wenn dramaturgisch nicht weiter eingegriffen wird.

Luca Mbiene, deutsch-kamerunischer Schauspieler und Tänzer, und sein deutsch-mosambikanischer Kollege Celio-Silvestre Tamele werfen sich in die Hauptrollen und punkten mit Sympathie und bewegtem Engagement. Sie nützen, was ihnen Bühne und Raum zur Verfügung stellen (Margarita Bock, auch für die funktionellen Kostüme zuständig). Dass sie sich über innere Monologe erklären müssen oder gar ihre eigenen Regieanweisungen anzusagen haben, lähmt zwar das dramatische Zupacken, sie schaffen es aber, wie auch das Ensemble der Sieben, die Spannung zu halten und Stimmung zu entwickeln. Die Bedeutung der Regisseurinnen Patricia Pfisterer und Christine Arnold liegt nicht allein im Inszenieren. Es ging auch um das Herstellen des sozialen Kontextes innerthalb der beteiligten Jugendlichen – das ist ja einer der wesentlichen Parameter zur Idee des integrativen Projekts.

Als Trost nach einem Abend (gespielter, keineswegs verspielter) Empörung und wilder Rundumschläge gekränkter Kinderseelen vielleicht der Blick auf die Bühne, die eine Welt darstellt, die mehr als nur die dargestellte vermittelt: Leslie Suganandarajah dirigiert. Seine dunklere Hautfarbe ist hier eben so wenig relevant wie die Vielfalt an kultureller und persönlicher Ausformung im Ensemble – das alles ist selbstverständlich. Resilienz bedeutet genau dieses Selbstverständnis des Verschiedenen. Die Gefahr bei einer Opfererzählung liegt in der Verfestigung ihrer perpetuierten Vorgaben. So zerstörerisch sich Handeln aus Empörung und Zorn oftmals auswirkt, sollen wir die Kraft dieser Emotionen ableiten zur Energie für gemeinsames Empowerment.

Imani verkörpert das wesentlich. Dass er erstochen wird, ist der Anlass der Erzählung. Er steht aber für das Leben. Möge der Applaus alle Gekränkten aufrichten.

Es gibt mehrere geschlossene Schulvorstellungen, öffentliche Vorstellungen sind am 28. und 30. Mai sowie am 1. und 14. Juni im Orchesterhaus – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: SLT / Tobias Witzgall