SOMMERSZENE / LA TERRE EN TRANSE

11/06/25 Der marokkanische Tänzer und Choreograph Taoufiq Izeddiou mit seiner Gruppe Anania Danses – neun Tänzer, drei Musiker – zeigten als Eröffnungsprogramm der Szene am Dienstag (10.6.) die Produktion La Terre en Transe. Weniger Trance als erfolgreiche Animation.

Von Erhard Petzel

Ein bunter Haufen, gekleidet vornehmlich in Schwarz und Rot, singt eine einfache zweiteilige Phrase – kurzer Rufbogen rauf als Call, umgekehrt runter als Response – und unterstützt diese mit Schrittfolgen, Klatschen, Soli und verschiedenen Bewegungsmustern. Unverdrossen und etliche Minuten lang, während das Publikum eintrudelt. Das denkt nicht daran, sein Mitteilungsbedürfnis der Bühnensituation unterzuordnen, sodass die Stimmen auf der Bühne schwerlich mit dem Ausfluss sozialer Interaktionen auf der Gegenseite mithalten können. Erst nach einer nicht nur gefühlten Ewigkeit sind die Leute schlagartig ruhig, sodass das Bühnengeschehen an Präsenz gewinnt.

Hat man bisher im Haufen agiert und aus diesem heraus Einzelaktionen gesetzt, wird die Diagonale der Bühne zum Solo-Laufsteg für Rotationsfiguren um die körperliche Längsachse. Wer singt, wird beim Tanz geschont, eingespielt wird ein Synthi-Sound-Teppich mit Percussion. Ein neuer Groove mit durchgehendem Beat provoziert auch ein neues Ruf-Vokabular. Einzelaktionen, die sich zu Ensembles angleichen, und die eine und andere Maske tauchen auf. Etwa ein Krönchen aus Pfauenfedern und Gesichtsplättchen. Oder eine Zyklopin, deren Kreiseln um das Körperzentrum zu kurz währt, als dass es zu einer Trance-Bewegung ausreichte.

Trance ist eindeutig definiert als ein anderer Bewusstseinszustand wie Wachen oder Schlaf. Trancen können herbeigeführt werden, auch für therapeutische Zwecke. In Trance kann man sich selbst oder jemand anderen versetzen oder sie können als Gruppenphänomen auftreten. Izeddiou und sein zwölfköpfiges Ensemble spielen mit diversen Elementen von Trance-Kulturen, mit Trance selbst hat es aber nicht viel zu tun. Weder ist da die kontrollierte Zentrierung wie beim Sufi-Tanz, noch baut sich ein Dorffest auf, bei dem Tage lang durch getanzt werden könnte. Dazu fehlt die intuitive Beziehung einer Gruppe von Musikern, die als Instrumentalisten im Tanzgeschehen eingewoben sind, sodass zwischen Musikern und Tänzern die innigste Symbiose herrscht. Wenn auch die Mitglieder der Formation mitsingen, klatschen und drei Wäschetrommeln manipulieren, die tragende Basis an Akustik kommt über die Anlage. Über weite Strecken geht es also um die gebräuchliche Idee von Trance als Disco-Zustand. Das reicht dann zum Tanz bis zur Erschöpfung, aber nicht zur Trance gegen die Erschöpfung.

Ein neuer Puls findet sich in ein Rhythmusgeflecht entwickelt, das in die Wäschetrommeln getreten wird. Die Trommelepisode stoppt, nachdem sich darauf ein neuer Ruf entwickelt hat. Der bläht sich im Kanon auf, bis ein Text zu orientalischen Melismen hervortritt und allmählich mit sich steigerndem Sound hinterlegt wird. Das ziemlich homogene Schwingen aus der Armbewegung heraus über einen langen Zeitraum macht jetzt tatsächlich einen Eindruck von Trance. Wenn der abwechselnd von Mann und Frau vorgebrachte Gesang irgendeinen religiösen Inhalt hat, dann steht man inmitten einer kultischen Massenhypnose. Allerdings von außen über das Sound-System gesteuert. Nützte ein Imam dergleichen für die religiöse Praxis, erschiene er als klerikaler DJ.

Das vermittelt sich auch durch die übersteuerte Anlage. Auf der Bühne ein großes Fallen in die Erschöpfung, beendet durch den ausklingenden Gesang einer Maske ins Dunkel. In den so begeisterten wie rhythmischen Schlussapplaus gibt es auf der Bühne afrikanische Zwischenpascher. Die Applaus-Ordnung gerät zum eingespielten Riff gehörig in Unordnung, als die enthusiasmierten Ströme aus dem Publikum auf die Bühne drängen und es den Professionisten gleichzutun trachten.

Womit sich der Kreis der Betrachtung schließt: Das Versprechen von Trance bleibt unerfüllt, doch das Potential findet sich in der Animation. Und es ist ein unbedingt ehrbares Moment, das Publikum zu bewegen. Und ein zukunftsträchtiges Thema. Ein zündendes Motiv für ein Programm.

Die Sommerszene Salzburg dauert bis 22. Juni – www.szene-salzburg.net
Bilder: Szene Salzburg / Lamqayssi (2); Laurent Philippe (1)