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Gliederreißen

SCHAUSPIELHAUS / DER DIENER ZWEIER HERREN

07/05/10 Eine recht bizarre Angelegenheit ist Goldonis Komödie „Der Diener zweier Herren“ in der Lesart von Regisseurin Maya Fanke: Sie hat sich für die Saisonabschluss-Produktion im Großen Saal des Schauspielhauses eine Mischung aus „Commedia dell’arte“ und Marionettentheater ausgedacht.

Von Heidemarie Klabacher

Dass dabei niemandem eine „natürliche“ Bewegung auskommen darf, versteht sich von selbst. Und nach der ersten Schreck-Viertelstunde - „Was um alles in der Welt soll denn das?“ - hat man sich daran gewöhnt, dass hier alles bei steifen, respektive unnatürlich verrenkten Gliedern über die Bühne hopst, stakst, rollt, purzelt, kollert, wallt (Oberweite, Bauch oder Pudding), trampelt, schreitet, rennt, tänzelt, läuft, springt, fetzt, wogt … sich aber niemand auch nur für eine Sekunden normal bewegt.

Stilmittel also. Und Commedia dell’Arte, Marionetten- oder Stabpuppenspiel kennt man gut genug, um die Verbindung zum Stück herzustellen. Ob es diesem was „bringt“? Verfremdung ist immer gut und das lebensgroße Figurentheater ist derart konsequent durchgezogen, dass das Konzept wohl Stil hat, auch wenn es keine neue Sichtweise eröffnet.

So ist und bleibt die Geschichte einfach und kompliziert genug: Truffaldino, ein armer Kerl der immer Hunger hat, lässt sich von zwei jungen reichen Schnöseln als Diener anheuern. Doppelter Lohn, doppeltes Essen wäre die Rechnung, die allerdings nie aufgeht. Der eine „Herr“ ist ein verkleidetes Mädchen, deren Bruder im Duell mit Truffaldinos anderem Herren gefallen ist.

Beatrice sucht also, trotz redlicher Trauer um den Bruder, ihren Geliebten, der nach Venedig geflüchtet ist. Dass sie dort im Gasthof Zimmer an Zimmer hausen und der treue Diener beider Herren ihnen vor lauter Dummheit das Leben noch viel komplexer gestaltet: das ist nur einer der Handlungsstränge von Goldonis unvergleichlicher (oder höchstens mit Shakespeare vergleichbarer) Komödie.

Gerade das Spiel mit den Geschlechterrollen arbeitet Maya Fanke beinah spielerisch heraus: Die verkleidete Beatrice will - vorgeblich natürlich - ein Mädchen heiraten, das - ebenso natürlich - einen anderen liebt. Beatrice offenbart aber das Geheimnis und die Anziehung zwischen den Frauen ist enorm. Das sind wohltuende Augeblicke im permanenten Gezappel.

Ober-Zappler ist Timo Senff als Truffaldino, der jedes Casting für eine Neuverfilmung des Glöckner von Notre Dame für sich entscheiden würde: So biegsam sind seine Knochen, so flexibel ist seine Gesichtsmuskulatur. Selbst unter der Halbmaske ist dieses Grimassieren beängstigend. Und die altmodisch schwarz ummalten Augen starren stechend blau aus der Larve.

In Summe aber eine staunenswerte Ensembleleistung: Von Georg Reiter über Olaf Salzer und Marcus Marotte bis zu Ute Hamm sind alle vertreten und tragen ihr Teil bei zur Spannung der nicht nachlassenden Tempospirale. Von der jüngeren Garde bezaubern Constanze Passin als Clarice, Christiane Warnecke in der Hosenrolle, Oliver Hildebrandt als Florindo und Thomas Pfertner als Silvio.

Die Bühne von Alexia Engl imaginiert Venedig. Ein paar miteinander verbundene Brücken und Stege, da und dort ein paar (morsche) Pfeiler, im Hintergrund eine türenreiche Hausfassade (gar nicht palazzo-artig, sondern quasi gründerzeitlich neutral): Diese Zurückhaltung und Beschränkung ist der Imaginationskraft enorm förderlich. Denn was dem zum Renaissance-Slapstic geworden Stück an Poesie fehlt, kommt so durch die Hintertür wieder herein. - Eigenwillig, das Ganze, aber nicht ohne Reiz.

Die nächsten Termie: 8., 9., 11., 12. Mai; weitere Aufführungen und Info: www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Eva Maria Griese


 

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