Grandioses Solo für zwei

OFF THEATER / 36 STUNDEN

05/05/17 Nur 36 Stunden dauert die Romanze von Agnes und Eugen. Es ist gemeiner Hunger, der Agnes dem Aktfotografen und dem Kunstmaler ins Atelier und dem feschen Harry ins Cabrio treibt. Denn auch der liebenswerte Eugen wird der „Zunkuft“ nicht die böse Fratze des verkümmerten alten Weibes vom Gesicht reißen. Oder?

Von Heidemarie Klabacher

Arbeits- und Aussichtslosigkeit. Hunger nach einer Mahlzeit und Hunger nach einem weniger tristen Leben im München vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs: Das ist der mit erstaunlich wenigen historischen Zitaten und Andeutungen anschaulich und facettenreich umrissene Hintergrund der elegischen Begegnung zwischen der arbeitslosen, für ihr Handwerk notorisch untalentierten Münchner Schneiderin Agnes und dem arbeitslosen Wiener Kellner Eugen, der vom eigenen kleinen Hotel in der Wüste träumt… "36 Stunden", eine Dramatisierung des ersten Romans von Ödön von Horváth, hatte am Donnerstag (4.5.) als Zweipersonenstück mit Pia Kolb und Max Pfnür in der Regie von Georg Büttel im OFF-Theater Gastspiel-Premiere.

Begeisternd an der altuellen Salzburger Theaterfassung ist nicht nur deren geradezu leichtfüßige Umsetzung in genau gar keinem Bühnenbild auf einer Art Spannteppich-Laufsteg, sondern gerade auch die „Theater-Fassung“ selber. Das jeweilige bisherige Leben von Agnes und Eugen etwa wird vom jeweils anderen in indirekter Rede umrissen. Immer wieder kommt es zu Brüchen in der Erzählzeit, wenn die Spielsituation der Gegenwart kippt in den Konjunktiv der vergeblichen Hoffnung. Die Brechungen auf der sprachlichen Ebene halten den ironisch überzeichneten, fest im Zwangserotischen geerdeten „Stoff“ elegant in der Schwebe des Indirekten. Diese tatsächlich „poetische“ Leichtigkeit im Sprachlichen setzen Pia Kolb und Max Pfnür auch im Darstellerischen virtuos um.

Die Männer sind reine Karikaturen, die Max Pfnür zusätzlich kräftig ins Bizarre überzeichnet – aber jeweils mit wenigen und leichten Pinselstrichen. Es wird in dieser hervorragenden Regie kein Schmäh – sei es darstellerisch oder sprachlich – breit ausgewälzt. So, und nur so, bekommt der Witz Flügel um sich ehzeitig auch wieder verziehen und der Tragödie drunter Platz zu machen. Der Sprung auf die Leinwand, mit dem Pfnür Eugens Kinohelden in einer Westernrolle lebendig werden lässt, ist fulminant. Dafür gab es zurecht Szenenapplaus.

Pia Kolbs Agnes ist eine Stille. Die Madonna vom Kunstdruck in ihrem verwanzten Zimmer scheint mit ihr auf Erden zu wandeln – bis ganz ohne Getue ganz andere Facetten sichtbar werden.

„Nachdem wir uns letztes Jahr mit ‚Ein Kind unserer Zeit‘ den letzten Roman des Autors vorgenommen haben, ist es dieses Jahr sein erster Roman. Wir begleiten nicht einen jungen Soldaten, sondern eine arbeitslose Schneiderin und einen arbeitslosen Kellner auf ihrer ziellosen Hoffnungsjagd“, sagt Max Pfnür. Der Hauptdarsteller hat „36 Stunden“ als Produzent mit Unterstützung der Ödön-von-Horváth-Gesellschaft Murnau als Gastspiel auf die Bühne des OFF-Theaters gebracht. „'36 Stunden' ist voll satirischem Humor, bietet aber noch eine hoffnungsvolle Zukunftssicht, während 'Ein Kind unserer Zeit' bereits viel nüchterner daher kam. Als hätte Horváth es nicht fassen können, dass das, was er in seinem ersten Roman satirisch an skizziert hat, nun doch Realität geworden sei.“

Ein fulminanter Theaterabend

Weitere Vorstellungen bis 21 Mai - das OFF-Theater legt für „36 Stunden“ und „Ein Kind unserer Zeit“ ein Horvath-Kombitickett auf – www.theateroffensive.at
Bilder: Theateroffensive