„Als Produzentin versuchen wir, Rahmenbedingungen zu schaffen, um neue Entwicklungsprozesse und Herangehensweisen zu ermöglichen“, sagte Markus Grüner-Musil, der scheidende künstlerische Leiter der ARGEkultur heute Montag (9.1.) beim gemeinsamen Pressegespräch mit seinem Nachfolger Sebastian Linz. „Inhaltliche Vorgaben und Impulse zu setzen ist ebenso Teil unserer Aufgabe wie eine dramaturgische Begleitung und eine professionelle Umsetzung. Im Gegensatz zu reinen Veranstaltungshäusern investieren wir in zeitgenössische, innovative Kunstformen und fördern damit auch freie Kunst- und Kulturarbeit.“
Heißt konkret: Bereits am 21. Februar hat „Oberösterreich“ von Franz Xaver Kroetz Premiere. Dazu angeregt wurden er und die Regisseurin Hildegard Starlinger von der blau-grünen Landkarte nach den Bundespräsidenten-Wahlen im Vorjahr, erzählt Grüner-Musil. Wie geht es tatsächlich den Menschen auf dem Land, die „Blau“ wählen? Das Stück ist 45 Jahre alt – und hoch aktuell: „Das Auseinanderklaffen wirtschaftlicher und sozialer Welten wird auch in westlichen Gesellschaften eine immer größere Herausforderung. Die Unterschiede sind vielfältig, zeigen sich im politischen Spektrum in den Bereichen Bildung und Ausbildung, der Arbeitswelt, im Stadt-Land-Gefälle, vor allem aber auch in den unterschiedlichen individuellen Möglichkeiten, sein Leben nicht nur zu akzeptieren sondern auch selbst zu gestalten.“ „Oberösterreich“ meine nicht nur das benachbarte Bundesland, sondern sei eine Metapher für die Seele einer Bevölkerungsschicht, die häufig in den Hintergrund gerät.
„Viel gut essen“ heißt das Stück von Sibylle Bern und der Band Kreisky, das am 9. März Salzburg-Premiere hat, nachdem es beim Kooperationspartner Rabenhoftheater im Oktober uraufgeführt wurde: Hier geht es nicht um die „Abgehängten“ auf dem Land, sondern in der Stadt. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ In dieser Gemengelage eines ständigen „Empört euch!“ monologisiert ein moderner Jedermann, erzählt Grüner-Musil. „Weiß, heterosexuell, gut bürgerlich, gesund und in den besten Jahren, hat er beruflich nicht ganz das Erwartete erreicht, nicht ganz die erhoffte Familie gegründet, und nun wird auch noch sein Wohnviertel gentrifiziert und demnächst wahrscheinlich unbezahlbar.“ Die Musik-Theater-Produktion ist ein „Amoklauf“ der „übellaunigsten Band der Welt“ auf einen Text von Sibylle Berg. Die mag man nämlich.
Für das stART Festival im September wurden Kompositionsaufträge vergeben: Hymnen sollen geschrieben werden. „Das Singen einer Hymne ist ein verbindendes, identitätsstiftendes Ritual. Egal ob Firmenhymne, Vereinshymne oder Nationalhymne, immer definiert sich dadurch eine Gruppe, die etwas Gemeinsames für sich beansprucht. Die Hymne ist aber auch Teil einer Symbolik, die nicht auf den übergreifenden Zusammenhalt einer Gesellschaft abzielt, sondern auf eine Abgrenzung aufgrund von einfachen, manchmal recht willkürlichen Merkmalen.“ Das Konzept des Nationalismus, das im 20. Jahrhundert nicht nur gescheitert sei, sondern Hass, Zerstörung und Gewalt gebracht habe, erlebt eine Renaissance: „Eine erneuerte radikal-nationalistische Perspektive Europas steht im Widerspruch zu einer solidarischen, gerechten und freien Gesellschaft. Daher haben wir uns dazu entschieden, für das stART Festival 2018 neue Hymnen in Auftrag zu geben. Die Hymnen des 21. Jahrhunderts sollen nicht von den Schlachten und Heldentaten der Vergangenheit erzählen und unverrückbare Vorurteile von sogenannten ‚Identitäten‘ reproduzieren, sondern die Werte einer lebenswerten Gesellschaft besingen und vermitteln.“
Die vierte Eigenproduktion der neuen Spielzeit heißt „trails“ und ist eine Kooperation mit der editta braun company. Es geht um den aufrechten Gang – nicht nur im übertragenen Sinne, ist doch der „aufrechter Gang“ das, was uns vom Tier unterscheidet. „Das Gehen zieht Spuren, und wenn sich Spuren kreuzen geht es ums Mit- und Gegeneinander. Dazu werden Bilder aus Nikolaus Geyrhalters Film 'Homo Sapiens' projiziert: Bilder von verlassenen Industrieruinen, von zuwachsenden Städten und von der Natur, die sich langsam zurückerobert, was wir ihr einst genommen haben.“