Die Leiden des Doppel-Fritz

LANDESTHEATER / BÜHNE 24 / PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG

17/02/20 Was für Bilder zum Einstieg: Der Kurfürst von Brandenburg hält die jungen Leute wie Kettenhunde. Der Potentat, der eine Krone aus Stacheldraht auf dem Kopf trägt, zwingt Prinzessin Natalie in ein Mieder und es ist nicht zu übersehen, dass seine Gedanken für die junge Dame sinistrer Art sind.

Von Reinhard Kriechbaum

Es geht nicht zimperlich zu in Johannes Enders Inszenierung von Prinz Friedrich von Homburg. Eigentlich reibt man sich die Augen, dass überhaupt ein heutiger Theatermensch zu diesem Stoff greift. Den Widerstreit zwischen bedingungsloser Unterordnung und dem Behaupten persönlicher Entscheidungsmöglichkeit hat Heinrich von Kleist auf der Folie des Kadaver-Gehorsams im preussischen Militär abgehandelt.

Das ist mehr als verstaubt, aber so will Johannes Ender das nicht stehen lassen: Seine Kleist-Paraphrase soll, so steht's im Programmheft, dazu anregen, über die neoliberale Leistungsgesellschaft nachzudenken, über den Druck und die Versagensängste, denen sich junge Leute heutzutage ausgesetzt sehen. Ob das von der Zielgruppe auch so verstanden wird?

Man darf leise zweifeln, denn dazu kommt die Inszenierung denn doch zu krass daher, auf einem expressiven Höchstpegelstand, der diese Lesart gleich wieder ziemlich weit weg rückt von den Erfahrungswelten eines jungen Publikums (das hat man wohl im Auge). Allgemeine Raserei seitens des Kurfürsten (Walter Sachers), der die Zähne fletschen und berserkerhaft brüllen darf, dass einem Hören und Sehen vergeht. Zuletzt wird er freilich ganz armselig in einem Rollstuhl sitzen, an einer Infusion hängen – und Natalie wird ihn mit einer Spritze ins Jenseits befördern. Gerechte Strafe für den Despoten?

Vier Darsteller nur (Kleist sähe 15 Rollen vor), und da ist die Titelrolle verdoppelt. Gregor Schulz und Tim Oberließen sind diese beiden Friedriche mit blutverschmierten Gesichtern. Das Für und Wider der Subordination und ihres Freiheitsdranges diskutieren sie aufs Heftigste aus. Da haben Regisseur und Dramaturgin emsig geschnipselt und dem Prinzen und seinem Alter Ego auch Sätze anderer Protagonisten in die Münder gelegt. Ob in Summe mehr als ein Fünftel vom Originaltext herübergerettet ist? Immer noch viel gestelzter Kleist, könnte man wenig boshaft befinden. Wohlwollender formuliert: Die beiden Friedriche bringen im Disput doch manches auf den Punkt.

Natalie (Janina Raspe) hat mit dem sie liebenden Doppel-Fritz alle Hände voll zu tun. Als Dreierteam sind sie aber stark – und laut! Akustische Zurückhaltung ist keine Tugend dieser Aufführung. Das wirkt nicht nur aufrüttelnd, durchaus auch lähmend im Verlauf der nur 85 Aufführungsminuten.

Der Verschleiß an Bühnenblut ist hoch, in einer Szene wird Erde kübelweise über den Friedrich-Zwilling geschüttet und von oben rieselt manchmal Sand auf die kreisrunde, leicht schräge und drehbare Spielfläche ohne Requisiten. Die Theater-Waschmaschinen werden sich in den nächsten Wochen auf Hochtouren drehen, aber das soll nicht unsere Sorge sein.

Starke körpersprachliche Akzente setzt die Choreographie von Josef Vesely. Es wird nämlich doch nicht pausenlos durchgeschrien. Zwischen den Szenen mutieren die beiden Friedrich-Darsteller (so sie nicht wie tot da liegen müssen) zu Traumtänzern. Und das sind oft recht intensive Momente.

Aufführungen bis 15. März auf der Bühne 24 im Marionettentheater – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall