Beim falschen Bart des Propheten
SCHAUSPIELHAUS SALZBURG / DER BART
16/03/25 Ja doch, die Werte! Familie steht obenauf und Toleranz sowieso. Wenn Ruth (Ulrike Arp) am Rednerpult steht, vor ihr die Mikrophone der Medien, sieht sie aus wie eine gute Kopie von Hillary Clinton. Der zur Wiederwahl stehenden Premierministerin steht in Imran Yusufs Boulevardkomödie Der Bart Ungemach ins Haus.
Von Reinhard Kriechbaum
Wie sagt Ruth so schön: „Ich befürworte den fortschrittlichen Islam, solange er nicht in mein Wohnzimmer fortschreitet.“ Genau dort hat sie den Islam freilich am Vorabend des Wahltags sitzen: Tochter Nina („Sie ist jetzt nicht mehr lesbisch?“) trägt Kopftuch, Akhtar Ahmed, den sie gleich am nächsten Tag zu ehelichen gedenkt, ist der Vorzeigemuslim schlechthin. Kein Tropfen Alkohol! „Orangensaft im Sinne der Inklusion“, bietet Jon, der künftige Schwiegervater wider Willen, an.
Wie's der Teufel im Zeitalter der sozialen Medien will: Die Fotos dieses muslimischen Traumpaars (oder ist es ein Albtraumpaar?) zirkulieren schon im Internet. Das hebt die Politikerin Ruth und die Strategie ihres Wahlkampfteams im wahlentscheidenden Moment aus den Angeln.
Der in London lebende, in Pakistan geborene Autor Umran Yusuf weiß, wovon er redet und worüber er schreibt. Still habe er „den Menschen, die in meiner Jugend am Familientisch oder im Freundeskreis für Drama gesorgt haben“ zugehört, liest man im Programmheft zur deutschsprachigen Erstaufführung im Schauspielhaus Salzburg. „Ignoranz, Heuchelei, Grauen, Ironie und Gelächter im Dunkeln“ habe er als in Europa lebender Muslim kennen gelernt. Wahrscheinlich hat er über die Jahre bloß die Pointen zu notieren brauchen, die jetzt sein Stück Der Bart dicht auf dicht durchziehen.
Schnell spitzt es sich auf eine Wertediskussion zu. Ob sie denn nicht an die Familie glaube, fragt Ahmed die künftige Schwiegermutter. „Ich glaube schon an die Familie, aber nicht unbedingt an meine“, kontert Ruth. Und Gott? An den glaubt sie natürlich auch, „und an die neuesten Umfragewerte“. Die Langzeitperspektive: „Für mich bedeutet Ewigkeit eine weitere Legislaturperiode.“
Dem Autor ist dann noch die eine oder andere Wendung für die Geschichte eingefallen. Wem das muslimische Jungpaar gleich vom Anfang an so wenig echt wie der Bart Ahmeds vorgekommen ist, liegt nicht daneben. So dauert das Stück, treffliche Pointen hin und her, schließlich etwas länger als ihm dramaturgisch gut tut.
Jérôme Junod hat Regie geführt und lässt die vier Leute auf der Studio-Bühne mächtig aufdrehen. Es wird gar viel herumgeschrien. Das feine Bonmot ist keine Stärke dieser Aufführung (wohl auch nicht des Stücks). Ulrike Arp ist die Wahlkämpferin. Man nimmt ihr aufs Wort und aufs Augenrollen ab, dass ihr am Vorabend der Wahl das Nervenkostüm zu eng ist. Ihren Gatten Jon degradiert sie zur Marionette. Antony Connor kontert nicht wenig vorlaut. Leonie Berner ist die Tochter Nina. Ihr Verhältnis zur Mutter, die wohl Familienarbeit der politischen Karriere geopfert hat, ist hoffnungslos zerrüttet. Schließlich Wolfgang Kandler als künftiger Schwiegersohn Akhtar Ahmed: So leise und zurückhaltend er sich gibt, liegt es von Anfang an auf der Hand, dass sich da einer aus gutem Grund bedeckt hält.
Nora Pierer hat ein für das Schauspielhaus-Studio erstaunlich geräumiges Bühnenbild geschaffen, Podeste, Rampen, hölzerne Stelen mit Pseudo-Kunst drauf, wie sich's gehört für „unsere“ Werte. Das Wichtigste – die Hausbar, die exzessiv genutzt wird. Wäre alles fein, wenn die Sache nicht als so grelle Farce hochgeschaukelt wäre.
Aufführungen bis 22. April im Studio – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese