„Der Quasthoff“ kann das – und wie!

KABARETT / MOTZ ART / QUASTHOFF & FROWIN

04/02/14 Foyergespräch in der ARGEkultur vor dem Motzart-Erlebnis, gepflegte ältere Dame zu ihrer verständnisvoll nickenden Freundin: „Ach, ich liebe ja den Quasthoff!!!  So schade, dass er nicht mehr singt. Aber vielleicht singt er ja heut abend doch…“

Von Christiane Keckeis

401Und ja, sie wurde wohl nicht enttäuscht: er singt, quer durch die Genres von Schubert über Jazz, Blues, Chansons bis zum Wiener Lied, immer wieder ein bisschen, vielleicht ein bisschen anders als erwartet. Denn eigentlich – eigentlich macht er ja jetzt Kabarett. In der ARGEkultur am Montag (3.2.) zum ersten Mal in Österreich.

Und „der Quasthoff“ kann das: Er beweist seine schauspielerische Wandlungsfähigkeit, schlüpft in die Rolle des pitzelnden Kindes ebenso wie in die des deutschen Altbundeskanzlers Helmut Kohl. Marika Rökk („schau Dir den Altersdurchschnitt im Publikum an, die kennen die Rökk alle“) ersteht plastisch, auch Hitler, dann wieder der empörte Revoluzzer, der haltlose Choleriker. Seine Sprachfarben wechselt Thomas Quasthoff  wie die Dialekte, von Berlin bis Wien, von Russland bis Frankreich ist alles drin, sein Humor ist böse, bitterböse, zynisch und scharf. Und wenn er es auf die Spitze treibt, ist das eigentlich wirklich nicht mehr zum Lachen.

Seine Bühnenpräsenz, die Aura ist fesselnd, faszinierend – und darin liegt auch eine Crux. Es ist nämlich eigentlich keine Quasthoff-Show, die da über die Bühne geht, sondern ein Kabarett zu zweit, zu dritt: „ein Behinderter, einer, wo man nich weiß, ob er lustig is, und ein Klimperfritze“ wie  die beiden Hauptakteure, eben Thomas Quasthoff und sein Partner, Kabarettist Michael Frowin, im Eingangssketch gnadenlos definieren. „Keine Kunst“ ist das Motto, um das herum sich die beiden gemeinsam mit ihrem Pianisten Jochen Kilian bewegen: Was ist denn Kunst? Was nicht? Muss Kunst verstanden werden? Moderne Kunst? Landeskulturen? Privatfernsehen? Klischees? Streetart? Esskultur? Kunst(aus)bildung? Ist Kunst gesund? Braucht es die Kulturrevolution? Brauchen Menschen Kunst?

400Quasthoff und Frowin spannen einen sehr weiten Bogen, gelegentlich geht der Faden verloren, Übergänge holpern – und so fragt sich auch die Zuschauende: Hoppla, was hat denn das jetzt mit Kunst zu tun? Oder geht es doch mehr darum, einen witzigen Beitrag noch irgendwie im Programm unterzubringen? Gut sind sie zweifellos, die Geschichten vom Rettungssanitäter, die Radio-Kochshow à la Loriot, das Interview der Woche, die Talkshow von Markus Lanz, es ist ein Durch-den-Kakao-Ziehen mit spitzester Zunge , mit bösestem Humor. Aber eben auch ein bisschen Kraut und Rüben – und die etwas gezwungenen Versuche, einen Bezug zum Thema herzustellen, machen es nicht besser. Die Dichte einer guten Dramaturgie, die fehlt.

Und das auch in der Balance: Neben dem bärbeißigem, zynischem Tausendsassa Quasthoff, der sich nicht scheut, noch so Provokatives auszusprechen, kommt Frowin, der mit wesentlich feinerer, aber nicht minder scharfer Klinge unterwegs ist, ungerechterweise etwas bubihaft rüber, weniger ernstzunehmend. Wirklich gut sind die beiden, wenn sie genau mit diesem Gegensatz zu spielen beginnen, wenn es in die Auseinandersetzung geht, wenn die Positionen klar werden. Wenn aus der Spannung der Unterschiede etwas Eigenes wird. Da steckt noch eine Menge Potential drin.

Spürbar ist nämlich, dass die drei  Akteure eine Riesengaudi beim gemeinsamen Blödeln haben, die sich restlos aufs Publikum überträgt:  Köstlich die Kurzfassung des „Faust“, entlarvend die Parodie auf Foyergespräche  bei hochkulturellen Anlässen, letztlich erschreckend die Vision einer zwanghaften Kulturrevolution, witzig als running Gag die Überheblichkeit des klassischen Musikers gegenüber Frowins famoser Blockflöte, nicht zu vergessen die vielen kleinen Seitenhiebe gegen kulturelle Verlogenheit, und das auch mit einer Portion Selbstironie („Quasthoff summt Panflötenhits – das wird der nächste Grammy“). Auch die pseudo-expertische Sprachlosigkeit der Kritiker bekommt ihr Fett weg, gemeinsam wird die Überschwemmung mit Kunstpreisen musikalisch aufs Korn genommen und schließlich erschreckend realistisch die Abschaffung der Kunst besungen.  Großartig.

Und last not least: Quasthoff macht zwar seine Behinderung immer wieder zum Thema, mit der Selbstironie des Judenwitzes – aber wenn er das nicht täte: Er ist als Sänger, als Kabarettist ein Künstler, der mit seiner Ausstrahlung so besticht, dass sein körperliches Anderssein nicht die geringste Rolle spielt auf der Bühne.  Das ist Kunst.

Die nächsten Termine beim MotzArt Kabarettfestival in der ARGEkultur: Heute Dienstag (4.2.) Jochen Malmsheimer, am Mittwoch (5.2.) Kollegiumj Kalksburg, Donnerstag Michael Altinger mit Band - www.argekultur.at
Bild: ARGEkultur / Wolfgang Lienbacher (1)