SCHAUSPIELHAUS / ZWEI HERREN VON REAL MADRID
15/09/25 Die erste Premiere, im Schauspielhaus Salzburg ist zugleich der Einstand der neuen Intendanz. zwei herren von real madrid von Leo Meier ist ein mehrfaches und mehrfach leichtgewichtiges Als ob: Komödie, Beziehungsdrama, Gesellschaftskritik, Sportstück und so weiter.
Von Erhard Petzel
Thomas Garvies Bühne ist erfrischend einfach: Links und rechts ein Einlass wie im Fußballstadion. In der Mitte ein Kunstrasen-Rund nach hinten ansteigend, darüber ein Bogen wie der Inszenierung des Champion-League-Finales. Der hintere Rand und zwei aufdeckbare Löcher im Rasen reichen für die nötigen Handlungsräume. In diesen beiden Löchern stecken gleich einmal die beiden namenlosen Hauptprotagonisten. Der eine Stürmer (Olivier Günter), der andere Mittelfeldspieler (Ludwig Wendelin Weißenberger). Sie treffen sich zufällig im Wald, müssen sich trotz gemeinsamer Aktivitäten auf dem Spielfeld im gleichen Weltklasse-Verein erst einmal kennen lernen. Sie siezen sich beharrlich bis ans nicht wirklich bittere Ende des Stücks. Premiere der Österreichischen Erstaufführung,war am Samstag (13.9.). Die Konversation ist stockend bis dürftig, dafür aber wertschätzend und aufbauend, wie es sich für achtsame Zeitgenossen geziemt. Selbstredend wird gegendert. Weiße Shorts und Sakko mit Silbermasche zeugen vom ironischen Geist beim Kostüm (Katia Bottegal).
Mittelfeld und Sturm treffen sich zum gemeinsamen Training und freunden sich soweit an, dass der Stürmer den Mittelfeldspieler für Weihnachten zu sich nach Hause einlädt. Mutter (Christiane Warneke) und Vater (Markus Weitschacher) erweisen sich als verschrobener Fußballer-Haushalt mit fanatischer Fan-Attitüde. Weihnachtsdekoration? Weißbändriges Maschenkreuz. Das BühnenRasenRund mutiert zur Hutschachtel. Damit lässt sich auch Slapstick durchhecheln.
Während die Eltern in ihrer Aufdringlichkeit eine Beziehung zwischen den beiden Männern konstatieren wollen, verleugnet der Sohn eine Freundschaft. Jedenfalls treibt der Mittelfelspieler die Handlung an, da die Mutter an seinem Gastgeschenk – einem Bananenbrot – wegen Allergie verreckt. Weihnchten wird zum Begräbnis. Warnecke schlüpft jetzt in die Rolle der Paterin, die eine sehr befremdliche Grabrede vom Smartphone abliest.
Waldszene wie zu Beginn. Nur ist es jetzt der Friedhof. Beim gemeinsamen Hören von Killing Me Softly stehen sie im gleichen Loch mit Backenkontakt, worauf über Ohr und Auge der sinnliche Weg zum Mundkuss führt. Das Abtauchen unter die Klappe verhindert nicht, dass sie von Paterin und Pressesprecherin (Karoline Breschar) entdeckt und fotografiert werden. Verteidiger Sergio Ramos (Weitschacher), beim pantomimischen Training, weiß aus der Zeitung bescheid und verteidigt selbstverständlich sein Kollegenliebespaar (übrigens die einzige Szene, in der sie sich alle kameradschaftlich duzen). Wieder allein, wird das Herumdrucksen um ein Geständnis vom Wirbel der Madrid-Hymne zerstört und es kommt zur Pressekonferenz mit allerlei respektlosen Fragen. Dabei kommt heraus, dass der Stürmer um ein Schweinegeld nach Paris transferiert wurde. Beim Abschied meint der Mittelfeldspieler, dass der andere für ihn unbezahlbar sei.
Das könnte ein gelungenes Schlusswort gewesen sein, wenn davor mehr als nur ein Als-ob-Drama mit einer Als-ob-Beziehung entwickelt worden wäre. Es ist auch nur eine Als-ob-Komödie, wenngleich sich die meisten Leute im Publikum offenbar köstlich amüsiert haben. Parallel geführte Aktivitäten sind schon ein bisschen witzig, aber Slapstick-Chaos beim Eingang oder schwacher Zotenabklatsch bei Spiel und Predigt bleiben intellektuell unbefriedigend. Auch bezüglich Absurdität bleibt es beim Als-ob, wenn die adorierte Stille durch Dauergeschwätz zernichtet, ein Drachen als Haustier und Transportmittel eingeführt wird oder das Begräbnis in eine Disco ausartet. Keinesfalls bietet das Stück karthatische Erlösung sozialer Fragen wie Homosexualität beim Männerfußball oder ansatzweise Tiefsinn (wenngleich ein philosophierender Ramos fast etwas Mitreißendes hat).
Vielleicht versteht ein Boomer die Postironie einer mehrfach geposteten Postdramatik nicht mehr, weil er glaubt, nur bei ausreichender Substanz könne Ironie leuchten. Alexander Kratzer führt in seiner Regie das sehr leichte Sammelsurium an historischem Stil-Versatz geschickt zum großen Jubel bei einem couragierten Einzel-Buh. Aus dem resultiert höchstens ein Als-ob-Skandal. Die Austria stärkt mit Sponsoring die Aura von Fußball.
Zwei Herren von Real Madrid – Aufführungen bis 24. Oktober im Studio – schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Erika Mayer