LANDESTHEATER / KAMMERSPIELE

29/09/25 Will man den Untersberg auf die Bühne der Kammerspiele bringen, gibt’s zwangsläufig Probleme mit der Größe. Keine gute Lösung ist es, der geographischen Verzwergung mit Schmalspur-Gedanken beizukommen. – Uraufführung des Stücks Untersberg von Anaïs Clerc in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters.

Von Reinhard Kriechbaum

Ein Kaiser, der im Untersberg drauf wartet, bis auch die allerletzten Raben ihre Federn gelassen haben und er ergo zur finalen Schlacht rufen darf? Das wäre Alphamännern à la Trump und Putin leicht zuzutrauen, wo auch immer sie eingebunkert sitzen. Aber im Theater soll's so eben nicht sein. Da ist es nicht Kaiser Karl, sondern „Kaiserin Karla die Große“, die mit begründetem Missmut aus ihrer Höhlengruft hinaus und hinunter auf die Welt schaut. „Das Schrumpfen mächtiger Frauen ist wieder gewollt“, muss sie erkennen. Sie sondert überhaupt viele gestelzte Sätze ab über den unerfreulichen Zustand Welt. Allerhand ist am Rutschen an den Abhängen ihres felsigen Jahrtausend-Domizils, moralisch und umweltbedingt.

Beginnend mit 696 zählt Kaiserin Karla (Monika Pallua) also die Jahre runter. Ziemlich schnell landet sie im zweistelligen Bereich, es ist also Handlungsbedarf. Wenn die Umwelt den Bach runtergeht und die Menschen Hass immer unversöhnlicher ausleben, braucht's wohl eine weibliche Sicht auf die unerfreulichen Dinge und entsprechende Alternativlösungen. Die finden sich in den Gestalten zweier Untersberg-Wanderer.

Die junge Laura (Sophie Borchhardt) hat sich zu früh Hoffnungen gemacht auf eine Karriere als Musical-Star. Sie hat die Maria in The sound of Music gesungen und nach der Aufführung zu einer Spendenauktion aufgerufen. Das war dem Veranstalter nicht recht. Hinausschmiss. Frank (Gregor Schulz), einem engagierten, modern denkenden Pfarrer, ist es nicht besser ergangen. Er hat sich zu vorlaut für einen bisexuellen Priesteramtskandidaten eingesetzt und deswegen seinen Job eingebüßt. Diesen beiden Leuten traut Kaiserin Karla zu, als Role models die Menschheit wieder auf Spur zu bringen. Schließlich soll die „finale Schlacht kein Zerfleischen“ sein, „kein Kampf gegen, sondern ein Kampf für“.

„Ob wir bereit sind für eine neue Sage, ob wir bereit sind, Entscheidungen zu treffen?“ Anaïs Clerc, eine junge Autorin aus der französischen Schweiz, trifft mit ihren Stückentwicklungen den Theater-Zeitgeist. Klare vorgekaute Botschaften, am besten den Leuten von der Straße vom Mund abgelesen. Gut und Böse sind klar umrissen. Ein Schelm, der sich in den Kammerspielen für achtzig Minuten eingekerkert fühlt in einer moralischen Anstalt, als die das Theater sich von Schiller hat bezeichnen lassen müssen.

Bewegung bringt in der Inszenierung von Sarah Henker vor allem Matthias Hermann ein, in der Rolle des „Untersberger Menschl“. Der ist Diener der Kaiserin Karla und in den kurzen Spielszenen, in denen wir etwas über die Vergangenheit von Laura und Frank erfahren, der Bösewicht, Theaterimpresario und Kardinal. Eva Musil hat eine Berglandschaft aus Quadern und anderen Formen gebaut, mit rotem Samt überzogen. Die kann man hin und her schieben und drauf klettern, und einige lassen sich auch öffnen und sind dann Höhle oder Kirche.

Nachdem das anstrebenswerte Wohlverhalten der Menschen mit einer ärgerlichen Portion an Klischees und Allgemeinplätzen hinlänglich durchdekliniert ist, werden Frank und Laura durch den Zuschauerraum geschickt. Vom Band tönen Statements von Salzburgerinnen und Salzburgern. Wie sie sich eine einigermaßen passable Zukunft ausmalen? Friedlich, mit Menschen und Politikern, die aufeinander hören, die empathisch sind und diskussionsfreudig. Das klingt wie der Katechismus gelebten Gutmenschentums. Brauchten wir alles nur auswendig zu lernen. Oder auch nicht, weil wir Theaterbesucher sind sowieso die Guten.

Aufführungen bis 22. Oktober 2025 in den Kammerspielen – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: SLT / Tobias Witzgall