Ist was faul im Ameisenstaate?

GALERIE 5020 / VORBILD AMEISE

14/03/23 Sie erinnern sich an der reizenden Disney-Animationsfilm Antz von 1998? Da wird die Arbeitsameise X, ein No-name-Wesen im Staat der tumben Krabbelarbeiter, von gar argen Identitätsproblemen geplagt. Das hat sich nicht nur deshalb eingeprägt, weil Woody Allen dem X seine Stimme lieh. Man sah den Stadtneurotiker vor sich...

Von Reinhard Kriechbaum

Vorbild Ameise heißt derzeit eine Gruppenausstellung in der Salzburger Galerie 5020. Dahinter steckt die Idee, dass der Ameisenstaat immer wieder hat herhalten müssen als anschauliches Bild – sei es Vorbild oder Schreckensbild – für politische Entwürfe. Schon in der Antike erkannte man in den Ameisen zōa politika, also soziale Lebewesen. Ob man ihnen nacheifern oder ganz im Gegenteil eher auf ein gesundes Ego setzen sollte, das ist und bleibt eine Frage des jeweils eigenen politischen Standpunkts.

Im Kuratorendeutsch (von der Website der Galerie 5020) liest sich das dann so: „Deutungsstarke Texte verhalten sich gegenüber der Faktizität der Ameise häufig pfadabhängig, ihre Gebilde und Haufen werden als politische Zusammenkünfte interpretiert und emsig vor den eigenen ideologischen Karren gespannt.“ Den Film Antz dürfte niemand von den Künstlerinnen und Künstlern gesehen haben. Die nahe liegende Humor-, gar Ironie-Erwartung sollte man vor einem Ausstellungsbesuch eher ablegen.

Sehr anschaulich der Haufen von Gabelhubwagen, die Jan Leitner aufeinander getürmt hat. Ameisen können ein Mehrfaches des eigenen Körpergewichts fortzubewegen, und das schaffen Menschen mit diesen Hilfsmitteln auch. Wenn etwas auf dem Weg herumliegt, können Ameisen wie Menschen mit Hubwagen scheitern. Der Schweizer Künstler Zimoun denkt beim Stichwort Ameise über Algorithmen nach. Weil das für ihn aber offenbar schwer bildhaft zu greifen ist und Ameisen äußerst lautlose Lebewesen sind, griff er zu einem Holzstück mit Holzwürmern. Die fressen sich da durch, und das Knacken wird mit fein eingestelltem Mikrophon hörbar gemacht.

Doris Bujatti denkt bei Ameise ans unermüdliche Arbeitstier. Aus einem Teppich hat sie einen ungefähr metergroßen Kreis geschnitten, und der liegt auf einem Staubsauger-Roboter. Der fährt nun also im Galerieraum zwei Monate lang hin und her. Das Teppichstück wird wohl Staub ansetzen. Die Installation spottet also der eigenen Arbeitsaufgabe, Sisyphos lässt grüßen. Magdalena Stückler hat aus Gips und Wellpappe-Kartons eine Serie von Blöcken geschaffen, die landkartenartige Strukturen aufweisen. Finden sich Ameisen da zuercht?

Pheromone heißt die Duftspur, an der sich Ameisen orientieren. Dem Menschen, also auch dem Ausstellungsbesucher, bleibt solch einfache Riech-Spur versagt. Etwas rätselhaft daher, was Christoph Kilian mit „The Great Gamouth“ vor hat, einer Vorstufe für eine künstlerische Arbeit, die er „noch 2023 auf dem Atlantik realisieren“ will. Klaus Bock hat auch etwas Futuristisches im Sinn. Er hat angeblich im Stadtraum Dinge platziert, die „für Ameisen und Fruchtfliegen attraktiv“ sind: Bananen, Apfelmus, Vanillesauce und dergleichen. Hoffentlich werden die kleinen Viecher vorher aktiv als die Mitarbeiter der Straßenreinigung oder der Facility Services, wie die Hausmeister jetzt heißen. Aber die ähneln ja auch Arbeitsameisen im organisierten Menschengetriebe...

Bis 14. April in der Galerie 5020 – www.5020.info
Am 17. März um 18 Uhr gibt es zum Ausstellungsthema ein Gespräch mit Robert Lindner (Direktor Haus der Natur) und der Künstlerin Ingrid Schreyer
Bilder: dpk-krie