Es ist alles gebaut

INITIATIVE ARCHITEKTUR / TOURISMUS TRAUM ALPEN / AUSSTELLUNGEN

29/09/15 Der Tourismus zerstört seit seiner „Erfindung“ genau das wonach sich die Touristen sehnen: die unberührte „erhabene“ Natur. Besonders schlecht erging es dem Alpenraum in der jüngeren Vergangenheit. Zugleich lässt man viel wertvolle Bausubstanz – darunter auch Bespiele architektonisch geglückten Bauens in den Alpen - verfallen oder mit dem Bagger sanieren.

Von Heidemarie Klabacher

„So, wie in den letzten zwanzig, dreißig Jahren kann es in den Alpen nicht mehr lange weitergehen.“ Roman Höllbacher, der künstlerischer Leiter der Initiative Architektur, präsentierte heute Dienstag (29.9.) mit Expertinnen und Experten die Ausstellung „Dreamland Alps - Utopische Projektionen und Projekte in den Alpen“ im Gebäude der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten am Gebirgsjägerplatz 10.

Hier werden 22 Bauprojekte aus hundert Jahren vorgestellt – mittels Planskizzen, Fotos, Beschreibungen und Kartonmodell. Die eine Hälfte der Projekte sei realisiert, die andere Hälfte nie gebaut worden, sagte Susanne Stacher, die Kuratorin der Ausstellung „Dreamland Alps“, die zusammen mit einer Gruppe Studenten, oft nur auf Basis vager Skizzen, die Kartonmodelle gebaut hat.

Es handle sich, ob gebaut oder nicht, qualitativ um extrem heterogene, utopische Projekte: „Es geht nicht um Ästhetik. Utopische Projekte sind nicht schön, sie sind bahnbrechend“, so Susanne Stacher. Es handle sich um Pläne und Versuche, eine „bessere Welt in die wilde Natur zu bauen“.

Architektur spiegelt immer Zeit und Gesellschaft, ist immer Spiegel und Ausdruck des jeweiligen politischen Systems: Zwei Modelle für Kinder-Erholungsheime in den Alpen zeigen das eindrücklich: Das eine ist ein eher flaches Gebäude, das sich mit einer weiten Terrasse auf die Natur hin öffnet. Das ist andere ein vielstöckiger kreisrunder Turm in dessen Inneres eine offene Spirale mit den Schlafplätzen für die Kinder hineingebaut war – von einer Person bequem zu überwachen: Ausdruck eines heraufdämmernden Totalitarismus, wie Susanne Stacher schildert. Faschistischer Köperkult war da nicht mehr weit weg - bis schließlich nicht mehr die Berge als „erhaben“ galten, sondern das politische Führer-System. Architekturkritisch betrachtet, sei der Turm ein Licht durchflutetes faszinierendes Gebäude gewesen – bis zum Verbau der offenen Spirale mit banalen Hotelzimmern, so Susanne Stacher in der Jetztzeit - was der Zerstörung des Bauwerks gleichkomme.Es wäre wichtig, die Qualitäten wieder lesbar zu machen in den alten - auch in den grausigen - Bauten.

Weiters zu sehen sind etwa Pläne für die Lebens­reform-Kolonie auf dem Monte Verità aus der Zeit um 1900, Entwürfe für Hotels und Seilbahnstationen von Adolf Loos, Franz Baumann, Gio Ponti, Charlotte Perriand und Jean Prouvé oder das Biwak-Projekt von Ross Lovegrove aus dem Jahr 2009.

Die Ausstellung „Dreamland Alps“ ist eine Kooperation von Initiative Architektur, Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg und der Gemeindeentwicklung Salzburg. Dazu gehört die Ausstellung „Alpen Architektur Tourismus - Am Beispiel Südtirol“ in der Tourismusschule Klessheim. Übertitel TourismusTraumAlpen. In Klessheim, und anschließend in weiteren Tourismusschulen, zeige man, so die Verantwortlichen, Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit für gelungenes touristisches Bauen in Südtirol „von der einfachen Pension bis zum gediegenen Hotel, von der Seilbahnstation bis zu den Architektur-Skulpturen am Timmelsjoch“. „Tradition und Innovation müssten auch in der Architektur keinen Wider­spruch darstellen“, ist die Botschaft. Gelungene Neubauten seien auch darunter. Vor allem aber beeindruckt die Expertinnen und Experten bei vielen Projekten in Südtirol der sensible Umgang der Tradition, das „Wieder- und Weiternutzen“ historischer Bausubstanz. Man wolle Anstöße - auch für das Bundesland Salzburg - geben.

Heinz Plöderl, der Sektionsvorsitzende der Architekten und der Ziviltechnikerkammer für Oberösterreich und Salzburg sagt klipp und klar: „Es ist in den Alpen alles gebaut.“ Es ginge ab jetzt darum, „die Dinge zu aktualisieren“ und ein Bewusstsein zu erzeugen, für die historische Bausubstanz“. Unmissverständlich ausgedrückt: „Wie kann man umgestalten und renovieren ohne zu zerstören?“ Um einen sensiblen Umgang mit historischen Gebäuden zu erreichen, sei es nötig, die jeweilige Bevölkerung mit einzubinden. Vor allem aber sei eine Raumordung erforderlich: „Es wurde nie elementar über Raumordnung diskutiert!“ Ein Paradigmenwechsel sei erforderlich. Es gäbe wohl die Ortsplanung, so Plöderl, aber keine Expertise. „Wir zersiedeln und zerstören. Es geht nur um die Gewinnmaximierung weniger.Das werden sich die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr lange gefallen lassen.“ Wer eine Baugenehmigung bekomme, um seinen Profit zu maximieren, müsse davon etwas zurückgeben an die Allgemeinheit. Ein Negativbeispiel: Bad Gastein.

„Dreamland Alps“ - bis 20. November in der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten am Gebirgsjägerplatz 10 und „Alpen Architektur Tourismus - Am Beispiel Südtirol“ in der Tourismusschule Klessheim – Details und Rahmenprogramm – www.initiativearchitektur.at
Bilder: dpk-klaba